Ökostrom-Förderungen sollen nur noch in EU-weiten Auktionen an die Bestbieter gehen, fordert die EU in einem Geheimpapier. Auch AKW sollen subventioniert werden dürfen.
Wien/Brüssel. Am Freitag war die Aufregung groß. Die EU-Kommission wolle nationale Förderungen für Atomkraftwerke erlauben, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“. Ein Sturm der Entrüstung ging quer durch die deutsche und österreichische Innenpolitik. „Die Presse“ erhielt Einblick in den Entwurf zur Beihilfenrichtlinie von Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia und entdeckte die für Österreich viel größere „Bombe“.
Die EU-Kommission bereitet das Ende der Ökostrom-Subventionen in ihrer bisherigen Form vor. Die Staaten sollen keine nationalen Fördertöpfe mit fixen Einspeisetarifen für Wind- und Solarstromerzeuger mehr vergeben dürfen. Stattdessen dürfen nur noch die effizientesten und billigsten Produzenten von „grünem“ Strom in den Genuss von Subventionen kommen. Um das zu gewährleisten, müssten die nationalen Fördermittel nach dem Brüsseler Vorschlag in einem EU-weiten Auktionsverfahren ausgeschrieben werden. Bewerben dürfe sich jeder Ökostromerzeuger, unabhängig von Technologie und Herkunft.
Das hieße, Wasser-, Wind- und Solarstromproduzenten aus allen EU-Staaten würden gegeneinander um deutsche, österreichische oder spanische Förderungen kämpfen. Wer den niedrigsten Einspeisetarif „fordert“, gewinnt. Da etwa Solarstrom hier keine Chance hätte, räumt die EU-Kommission den Ländern ein, bestimmte Technologien gesondert zu behandeln. An der europaweiten Auktion kommen aber auch sie nicht vorbei.
Klagen der Stromkonzerne erhört
Mit diesem Entwurf macht Almunia wahr, was Philip Lowe, hoher Beamter der EU-Kommission, im Februar exklusiv in der „Presse“ angekündigt hat: das Aus für nationale Förderregimes für Ökostrom.
Die Kommission erhört damit auch das Wehklagen vieler Stromkonzerne, die durch die Energiewende in Bedrängnis gekommen sind. Ihr Problem: Subventionen machen Ökostrom für Konsumenten teurer, an den Börsen aber oft billiger als konventionellen Strom. Da grüner Strom zudem im Netz stets Vorrang hat, rechnen sich herkömmliche Kraftwerke kaum noch. Dabei sind sie notwendig, um einzuspringen, wenn Wind und Sonne gerade keinen Strom liefern. Erst kürzlich drohten Deutschlands Stromkonzerne damit, ihre fossilen Kraftwerke abzuschalten, weil sie unrentabel seien.
Der Umstieg auf ein Auktionsverfahren könnte einerseits Ökostromkosten für Konsumenten senken, andererseits aber den Ausbau der Erneuerbaren stark hemmen, was traditionellen Stromkonzernen zugutekäme.
Grüne kritisieren EU-Vorschlag
Die Grünen kritisieren den Entwurf, der schon kommende Woche auf Arbeitsebene in der EU besprochen werden und im Frühjahr 2014 in Kraft treten soll, scharf: Auktionen würden Großkonzerne klar gegenüber jenen Ökopionieren bevorzugen, die die Energiewende initiiert und getragen hätten. Zudem würde der notwendige Ausbau gebremst. Länder wie Frankreich, England oder Irland hätten genau deshalb nach ersten Versuchen wieder Abstand von Ausschreibungssystemen genommen. Im schlimmsten Fall sei das EU-Ziel, bis 2020 ein Fünftel der Energie aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen, gefährdet.
Ein Weg, dem EU-Ziel näher zu kommen, schmeckt der Ökopartei gar nicht: Es ist jener heiß diskutierte Teil des EU-Papiers über die De-facto-Gleichstellung von Atomkraftwerken mit Ökostromkraftwerken. Auch AKW sollten als „kohlenstoffarme“ Technologie gelten, steht dort sinngemäß. Am Freitag ruderte die Kommission zurück: Man wolle „in keiner Weise zu Förderungen für AKW ermutigen“. Der Text sei nur eine für den internen Gebrauch bestimmte Diskussionsgrundlage.
Länder wie etwa Großbritannien oder die Slowakei planen den Bau neuer AKW und wollen diese fördern. Die Kommission sei verpflichtet, ihre Ansuchen zu prüfen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2013)