Nairobi: Geiseldrama dauert an, drei Terroristen tot

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Kenianische Sicherheitskräfte haben das von Islamisten besetzte Zentrum gestürmt. Die Terroristen dürften noch einige Geiseln in ihrer Gewalt haben.

Die Situation im seit Samstag von Islamisten besetzten Einkaufszentrum Westgate in Nairobi spitzt sich zu: Zu Mittag ereigneten sich offenbar mehrere Explosionen in dem vierstöckigen Gebäude. Kurz darauf stieg dichter schwarzer Rauch auf. Ob die Explosionen von den Eliteeinsatztruppen oder den Extremisten der somalischen al-Shabaab-Miliz ausgelöst wurden, war unklar. Beobachter rechneten jedoch damit, dass die Zahl der Opfer weiter steigen könnte. Am Abend teilte das kenianische Innenministerium mit, dass mehr als zehn Verdächtige festgenommen wurden. Drei der vermutlich zehn bis 15 Terroristen wurden getötet. Weitere seien offenbar verletzt worden. Auch elf Soldaten wurden verwundet. Die Militäraktion dauert zur Stunde an.

Das Innenministerium forderte die Bevölkerung über den Kurznachrichtendienst Twitter auf, die Umgebung des Zentrums unbedingt zu meiden. Die Straßen müssten für Ambulanzen frei gehalten werden, hieß es. In dem Gebäude befanden sich weiterhin Geiseln.

Der kenianische Innenminister erklärte, dass es bisher 62 Tote gegeben habe. Nahezu alle Geiseln seien befreit worden. Die Sicherheitskräfte hätten inzwischen die Kontrolle über die meisten Teile des Einkaufszentrums, die Geiselnehmer könnten "nicht mehr entkommen".

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Immer wieder Schüsse

Seit Montag in der Früh waren nach kenianischen Medienberichten immer wieder Schüsse aus dem Gebäude zu hören. Die somalischen Geiselnehmer im Einkaufszentrum der kenianischen Hauptstadt Nairobi haben am Montag in der Früh damit gedroht, die noch in ihrer Gewalt befindlichen Geiseln zu töten. Der Sprecher der somalischen Shabaab-Miliz, Ali Mohammed Rage, erklärte auf einer islamistischen Website: "Wir gestatten den Mujaheddin in dem Gebäude, gegen die Gefangenen vorzugehen."

In der Erklärung hieß es, die Shabaab-Miliz sei in Kontakt mit den Geiselnehmern. Der Text prangerte zugleich die Einschüchterungsversuche "Israels und anderer christlicher Regierungen" gegen das Shabaab-Kommando in Nairobi an.

Wie viele Personen noch in der Gewalt der Miliz sind, ist unklar. Schätzungen gehen von zehn bis 30 Personen aus. Ein Armeesprecher sagte, es handle sich um eine "sehr kleine Zahl". Verhandlungen mit den Angreifern lehnte er ab.

Internationale Tätergruppe

Zehn bis 15 islamistische Terroristen hatten das Einkaufszentrum am Samstag gestürmt. Mehr als 1000 Menschen sollen sich zum Zeitpunkt des Überfalls in dem Gebäude befunden haben. Die al-Shabaab erklärte in einem Bekennervideo, sie wolle Kenia zu einem der unsichersten Orte der Welt machen, weil kenianische Soldaten in Somalia gegen die Miliz gekämpft hätten. "Es wird nie Frieden für euch geben, solange ihr eure Aggression fortsetzt", hieß es.

Die Geiselnehmer von Nairobi gehören nach den Worten des kenianischen Armeechefs Julius Karangi verschiedenen Nationalitäten an. Karangi sprach am Montag von einem "multinationalen" Kommando, das im Auftrag des "Weltterrorismus" handle. CNN soll eine Liste mit Namen der Tätern zugespielt worden sein. Drei der vermuteten Angreifer seien US-Amerikaner. Auch zwei Somalier, ein Kanadier, ein Finne, ein Kenianer und ein Brite seien unter den Tätern. Entgegen anderslautender Meldungen der vergangenen Tage handelte es sich bei allen Tätern um Männer. Jedoch seien einige als Frauen verkleidet gewesen, um Verwirrung zu stiften.

Mehrere Ausländer getötet

Unter den Toten sind mehrere Ausländer, darunter drei Briten, zwei Französinnen, zwei Kanadier und eine Niederländerin. Mehrere US-Bürger wurden verletzt. Auch der bekannte ghanaische Dichter Kofi Awoonor kam ums Leben. Das Auswärtige Amt in Berlin hatte zunächst keine Hinweise darauf, dass Deutsche betroffen sind. Interpol und viele Regierungen der Welt boten Kenia ihre Hilfe bei der Strafverfolgung der Täter an.

Unterdessen vertagte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag den Prozess gegen den kenianischen Vizepräsidenten William Ruto um eine Woche. Ruto hatte dies am Sonntag beantragt, mit der Begründung er müsse in der gegenwärtigen Notsituation nach Nairobi zurückkehren.

Der Angriff in Nairobi ist der blutigste in der kenianischen Hauptstadt seit dem Anschlag des Terrornetzwerks al-Qaida auf die US-Botschaft im August 1998, bei dem mehr als 200 Menschen starben. Kenias Staatschef Uhuru Kenyatta kündigte in einer Fernsehansprache am Sonntag an, nicht zu ruhen, bis alle Täter und Drahtzieher gefasst seien. Er selbst habe einen Neffen und dessen Verlobte bei der Attacke verloren. Überlebende hatten geschildert, wie die Angreifer ihre Opfer regelrecht hinrichteten. Rund 200 Menschen wurden bei der Tragödie verletzt.

(c) APA

(APA/dpa/AFP)

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