Die detuschen Parteien ordnen sich für die Koalitionssuche. SPD und CDU bestätigen ihre Fraktionschefs in den ersten Sitzungen.
Zwei Tage nach der deutschen Bundestagswahl ziehen die Parteien in Deutschland erste Konsequenzen. Bei den Grünen kündigten am Dienstag Parteivorsitzende Claudia Roth und die beiden Fraktionsvorsitzenden Jürgen Trittin und Renate Künast ihren Abgang an. Wer am Ende mit der Union regieren wird, ist aber weiter völlig offen: Die Mehrheit der Deutschen ist nach einer Umfrage für die Bildung einer Großen Koalition. Aus der SPD mehren sich allerdings die kritischen Stimmen, die für ein Bündnis mit der Union erhebliche Zugeständnisse von Kanzlerin Angela Merkel einfordern.
Am Nachmittag begannen erste Sitzungen der neuen Fraktionen im Deutschen Bundestag. Union und SPD wählten dabei ihre Spitze. In beiden Parteien wurden die Amtsinhaber bestätigt. Bei CDU/CSU bleibt Volker Kauder genauso Fraktionschef, wie Frank-Walter Steinmeier weiter an der Spitze der SPD-Fraktion stehen wird. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass der ehemalige Außenminister in einer Großen Koalition ins Kabinett eintritt.
Bei den Grünen stehen Partei und Fraktion vor einem Führungswechsel. Parteivorsitzende Claudia Roth und die beiden Fraktionschefs Jürgen Trittin und Renate Künast kündigten am Dienstag an, nicht wieder kandidieren zu wollen. Abgestimmt werden sollte bei den Grünen am Dienstag aber noch nicht.
Deutsche wollen Große Koalition, SPD skeptisch
In der SPD mehrten sich drei Tage vor dem kleinen Parteitag die Stimmen, die einer Zusammenarbeit mit der Union skeptisch gegenüberstehen. Mehrere Landesverbände plädieren dafür, die Basis im Fall von Verhandlungen mit den Christdemokraten über das Ergebnis abstimmen zu lassen. Die Bundestagsabgeordnete und Sprecherin des linken SPD-Flügels, Hilde Mattheis, hielt auch eine Minderheitsregierung von CDU und CSU für denkbar.
Im ARD-Deutschlandtrend sprachen sich 64 Prozent für eine Große Koalition aus, für Schwarz-Grün waren es 32 Prozent. Die SPD will am Freitag auf einem kleinen Parteitag entscheiden, ob sie Sondierungsgespräche mit der Union aufnimmt. SPD-Vorstand Martin Schulz verlangte von Merkel eine Neuausrichtung in der Europapolitik. Im "Spiegel" forderte der Präsident des Europäischen Parlaments, vor allem gegen Jugendarbeitslosigkeit müsse der Kampf aufgenommen werden. "Merkel muss den sozialen Worten jetzt endlich Taten folgen lassen." Neben der Europapolitik dürften auch die Themen Steuern und Arbeitsmarkt Hürden für eine Zusammenarbeit der beiden großen Parteien sein.
Wen will die CDU?
Der alte und neue Unions-Fraktionschef Kauder sagte im "Spiegel", es gebe viele Forderungen der SPD, die CDU/CSU ablehnten. Darüber müsse nun gesprochen werden. "Vielleicht sieht nach der Wahl auch die SPD nun einiges anders." Mögliche Verhandlungen brauchten Zeit und dürften nicht über das Knie gebrochen werden. "Ich sage aber auch: Europa wartet nicht auf die Regierungsbildung in Deutschland, wir müssen handlungsfähig sein." Zu möglichen Gesprächen mit den Grünen sagte Kauder lediglich, es gebe für ihn Punkte, die generell "von zentraler Bedeutung" seien. Das sei vor allem die Energiewende.
CSU-Chef Seehofer distanzierte sich dagegen deutlich von Sondierungen mit den Grünen: "Ich werde solche Gespräche jedenfalls nicht führen. Damit hat sich das", sagte er dem "Spiegel". Als Begründung führte er an, dass bei den Grünen ein "Geist der Bevormundung" wehe.
Bei den Piraten kündigte Parteichef Bernd Schlömer nach dem enttäuschenden Abschneiden der Partei am Dienstag ebenfalls seinen Rücktritt an. Die Piraten hatten bei der Wahl am Sonntag nur 2,2 Prozent der Stimmen erhalten. Zuvor war ihnen der Einzug in mehrere Landtage gelungen.
Kritik an Fünf-Prozent-Hürde
Unterdessen wächst in Deutschland die Kritik an der Fünf-Prozent-Klausel, weil bei der Bundestagswahl rund 6,9 Millionen Stimmen für Kleinparteien unberücksichtigt blieben. Bei der Bundestagswahl am Sonntag waren so viele Stimmen wie noch nie seit Einführung der Fünf-Prozent-Hürde vor 50 Jahren an Kleinparteien gegangen, die nicht den Sprung in den Bundestag schafften. Betroffen waren dabei unter anderem die Stimmen für die FDP, die AfD und die Piraten. Insgesamt stimmten 15 Prozent für Parteien, die nicht im Parlament vertreten sein werden.
Der neue Deutsche Bundestag soll nach dem Willen seines Präsidenten Norbert Lammert am 22. Oktober zu seiner konstituierenden Sitzung nach der Wahl zusammentreten.
(APA/Reuters/AFP/dpa)