Der iranische Präsident Rohani erreicht bei der UNO neue Verhandlungen mit dem Westen. Die alten Zweifel an Teherans Ehrlichkeit bleiben allerdings.
New York. Wollte man die zweiwöchige Charmeoffensive von Hassan Rohani, Irans neuem Präsidenten, in ein Bild fassen, wäre es am Donnerstagabend auf dem Podium eines Luxushotels in Manhattan geschossen worden: rechts zu sehen Josette Sheeran, die smarte Präsidentin des Thinktanks Asia Society, im schwarzen Businessanzug und ohne Kopftuch über dem blonden Schopf. Links, ein angeregtes Podiumsgespräch mit Sheeran führend, der Staatschef der islamischen Republik, in der Frauen ohne Kopftuch ihr Haus nicht zu verlassen wagen, aus Angst, von den puritanischen Bütteln der Religionspolizei drangsaliert zu werden.
US-Senat hat andere Sorgen
Rohani ist kein Ahmadinejad, und das ließ die ebenso viel beschworene wie diffuse „Weltgemeinschaft“ bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York hörbar aufatmen. Anders als sein irrlichternder Vorgänger will der soignierte Herr mit dem Doktortitel aus Glasgow Israel nicht von der Landkarte fegen, er zweifelt den Holocaust nicht an und erklärt immer und immer wieder, dass eine Atombombe dem Koran widerspräche.
Und so kann Rohani zwei Erfolge mit nach Teheran nehmen. Erstens ist von einer weiteren Verschärfung der Wirtschaftssanktionen gegen das iranische Regime vorerst keine Rede mehr. Gewiss: Der amerikanische Kongress, Antreiber dieser Zwangsmaßnahmen, hat derzeit im Budgetstreit mit dem Weißen Haus andere Sorgen als Uranzentrifugen in entlegenen Orten mit unaussprechlichen persischen Namen. Sobald sich Präsident Barack Obama und die Republikaner erwartungsgemäß auf einen neuen Haushalt und die Erhöhung der neuen Schuldaufnahme durch die Bundesregierung geeinigt haben, werden die Falken im Kongress ihr Augenmerk wieder auf den Iran legen. Solange Obamas Demokraten allerdings den Senat kontrollieren – und das ist auch nach den Zwischenwahlen im November 2014 denkbar –, wird jedes radikale neue Sanktionengesetz im republikanischen Abgeordnetenhaus versanden.
Somit kann sich Rohani zweitens der Neuaufnahme der Verhandlungen mit dem Westen rühmen. Diese laufen weiterhin auf zwei Schienen. Am 15. und 16. Oktober treffen sich in Genf unter der Moderation von Catherine Ashton, der Außen- und Sicherheitsbeauftragten der EU, der iranische Außenminister Javad Zafari und Verhandler der Außenministerien der USA, Russlands, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Chinas. Diese im Diplomatenjargon mit dem Etikett „5+1“ bezeichneten Gespräche sollen aus Sicht des Westens zum Ergebnis haben, dass der Iran kein Uran auf ein für Atomwaffen taugliches Niveau anreichert, einige angereicherte Chargen den internationalen Inspektoren übergibt und die Anreicherungsanlage in Natanz schließt.
Der Iran wiederum will nicht bloß die vom Westen angebotene teilweise, sondern die gesamte Aufhebung der Sanktionen, die seiner Ökonomie schwer zu schaffen machen. Die täglichen Einnahmen aus dem Export von Öl sind binnen zwei Jahren von 250 Millionen Dollar auf 100 Millionen Dollar geschrumpft, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.
Zankapfel Fordow
Das zweite Gleis der Gespräche führt zur Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) in Wien. Sie wird am 28. Oktober versuchen, die Iraner zu besserer Zusammenarbeit bei der Aufsicht seiner Atomanlagen zu bewegen. Da ist nicht alles eitel Wonne: Die IAEA bekrittelt, dass sie keine sicheren Informationen über die knapp 100 Meter unter der Erde vergrabene Anlage in Fordow nahe der Stadt Qom erhält. Westliche Geheimdienste spekulieren, dass die Revolutionsgarden dort waffenfähiges Material herstellen. Die Iraner halten dem entgegen, dass Fordow nur darum unterirdisch liegt, um es vor Angriffen der USA und Israels zu schützen. An diesem Streitfall wird sich das Tauwetter messen lassen müssen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2013)