Stromkunden zahlen jährlich 190 Millionen Euro zu viel

Stromkunden zahlen jaehrlich Millionen
Stromkunden zahlen jaehrlich Millionen(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka - wodicka@aon.at)
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Trotz jüngster Preissenkungen vor der Wahl zahlen Österreichs Haushalte zu viel für Strom. Handelsketten und Einkaufsgenossenschaften wollen die Konzerne unter Druck bringen.

Wien. Dieses Sommermärchen gehört uns: In den vergangenen Monaten zahlten die Deutschen den Österreichern den Strom. An sonnenreichen Tagen fluteten die bayerischen Solarbauern das Land oft sogar mit kostenlosem Strom. Die Rechnung dafür begleichen die deutschen Stromkonsumenten über die Ökostromumlage EEG, die den Ausbau der Solaranlagen in der Bundesrepublik finanziert. Damit nicht genug: Da im Herbst auch noch Wahlen in Österreich anstanden, konnten diesmal sogar die Haushaltskunden von den niedrigeren Strompreisen profitieren.

Stolz senkten die (meist teilstaatlichen) Energiekonzerne Anfang Herbst die Preise für Privatkunden, nachdem sie den Preisverfall an der Börse drei Jahre lang ausschließlich an Industriekunden weitergereicht hatten. Immerhin minus zehn Prozent auf den Energieanteil gab es beim Verbund, minus 3,6 Prozent bei der EnergieAllianz (Wien Energie, EVN, Energie Burgenland). Nach langem Wehklagen des Regulators gab es also tatsächlich etwas Bewegung auf dem Markt.

Gewinnmargen verdoppelt

Doch E-Control-Chef Walter Boltz hätte seinen Job verfehlt, wäre er damit zufrieden: Die Reduktionen der Landesversorger seien bestenfalls „kosmetisch“, sagt er. Rechnet man Steuern und Gebühren dazu, fällt der Endpreis nur um ein Prozent. Angesichts der Entwicklung der Großhandelspreise und der Margen der Unternehmen sei da noch einiges drinnen. Der Börsepreis für Strom sei seit Mitte 2008 um 44 Prozent gefallen. Profitiert haben davon aber nur Industriekunden und die Energieversorger selbst. Die einen über niedrigere Strompreise, die anderen über eine höhere Gewinnmarge, weil sie die Preise für Private hoch halten konnten.

Die E-Control schätzt, dass Energieunternehmen ihre Gewinnmargen zuletzt auf bis zu 50 Prozent verdoppeln konnten. Die Behörde kann die Margen nur schätzen, weil sich die Versorger seit zwei Jahren weigern, ihre Kalkulationen offenzulegen. Diese verteidigen die Preise als fair und im EU-Schnitt als relativ günstig. Den Vorwurf überhöhter Margen habe man seitens der E-Control schon öfter gehört, einen konkreten Beweis sei der Regulator aber bisher schuldig geblieben.

Vor den Verfassungsrichtern hat die Branche im Streit mit dem Regulator aber bereits den Kürzeren gezogen. Wann die Untersuchung starten darf, muss aber der Verwaltungsgerichtshof noch entscheiden. Boltz ist jedoch schon heute sicher: Wären die niedrigeren Preise nicht nur an die Industrie, sondern auch an die Haushalte weitergegeben worden, hätten die Österreicher im Vorjahr 170 bis 190 Millionen Euro gespart.

100.000 Private verhandeln Strompreis

Doch auch die Stromkunden selbst sind (mit)schuld an ihrer Misere. Zwölf Jahre nach der Liberalisierung des Strommarkts halten immer noch neun von zehn Österreichern ihren meist teureren Landesversorgern die Treue.

Das zu ändern, haben sich heuer einige auf die Agenda geschrieben: Erstmals sind große Handelsketten in das Stromgeschäft eingestiegen. Und auch eine zweite Initiative macht Druck auf die Konzerne. Nach dem Motto: „Gemeinsam sind wir stärker“ will der Verband für Konsumenteninformation (VKI) möglichst viele Privatverbraucher um sich scharen, um zusammen Rabatte „wie ein Großkunde“ lukrieren zu können. Bis 16. Dezember können sich Interessierte im Internet auf der Seite www.energiekosten-stop.at unverbindlich anmelden. Der VKI hofft auf bis zu 100.000 Anmeldungen. Über eine Auktion wird dann der Versorger mit dem günstigsten Preis ermittelt. Ab Mitte Jänner bekommen die Kunden Information, wie viel sie bei einem Umstieg jeweils an monatlichen Strom- und Gaskosten sparen würden. Sie können dann noch immer entscheiden, ob sie dabei sein wollen oder nicht. Der Wechsel selbst geht per Knopfdruck.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2013)

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