Analyse: Europa leidet unter US-Geldpolitik

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Analyse: Europa leidet unter US-Geldpolitik(c) EPA (JAGADEESH NV)
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Während in Washington gestritten wird, steigt der Euro: Warum den USA trotz Streit um die Schuldengrenze niemals das Geld ausgehen kann – und warum Europa deswegen schwitzt.

Wien/Washington. Der Euro gehört zu den „Gewinnern“ der US-Regierungskrise – er ist vergangene Woche zeitweise auf über 1,36 Dollar gestiegen und blieb auch am Montag stabil über 1,35. Aber in der Post-2008-Welt sind Gewinner nicht immer siegreich. Der starke Euro hat auch seine Nachteile.

Denn die europäischen Unternehmen leiden vielmehr unter dem gedämpften Wachstum in den Schwellenländern, die zu den wichtigsten Abnehmern europäischer Güter gehören. So hat Unilever ganz offiziell den schwächeren Währungen in Indonesien, Brasilien, Südafrika, und Indien die Schuld am gedrosselten Umsatzwachstum des Konzerns gegeben. Europäische Unternehmen waren in die neuen Märkte gedrungen, um Schwächen auf dem Heimmarkt auszugleichen.

Euro steigt und steigt

Trotz der aufgetauchten Probleme seit die Federal Reserve eine Straffung ihrer ultralockeren Geldpolitik in Aussicht gestellt hat, werden europäische Unternehmen auch heuer ein Drittel ihres Umsatzes in Schwellenländern machen. Das ist mehr als dreimal so viel wie im Jahr 1998, zeigen von Morgan Stanley und Bloomberg zusammengestellte Daten. Der Euro stieg heuer aber bereits um 15 Prozent gegenüber der indischen Rupie, 18 Prozent zum südafrikanischen Rand und immerhin 2,5 Prozent zum US-Dollar.

Dies ist eine Folge der US-Geldpolitik, deren Bedeutung auch in der Debatte rund um den „Shutdown“ immer wieder falsch verstanden wird. Bloomberg verglich zuletzt sogar den Untergang der Investmentbank Lehman mit einer möglichen Pleite der US-Regierung und stellte die Schuldensummen gegenüber: Bei Lehman waren es knapp mehr als 500 Mrd. Dollar – bei der Regierung der Vereinigten Staaten sind es rund 17 Billionen Dollar. Darum geht es ja bei dem Streit um die Schuldendecke – zumindest oberflächlich.

Nun ergibt sich eine paradoxe Situation. Einerseits haben wir in den vergangenen Monaten eine Verlangsamung des Wachstums in den Schwellenländern gesehen. „Heiße“ Dollars, die dort aus Angst vor Inflation angelegt waren, sind zurück in die USA geflossen. Und von dort – so scheint es – direkt nach Europa. Ersteres hatte mit der in Aussicht gestellten Straffung der Geldpolitik der US-Notenbank Federal Reserve zu tun. Aber diese hat (zumindest bisher) in der Realität nicht stattgefunden. Und der „Shutdown“ zeigt, wieso.

Das „heiße“ Geld ist aus den USA rasch weiter nach Europa geflossen, weil die Verbindung zwischen Staat und Währung hier viel schwächer ist als in Washington.
Es wird im Zuge der Debatte um die Schuldengrenze zwar viel darüber geschrieben, ob die USA nun pleite gehen könnten – ob ihnen das Geld ausgeht. Diese Frage kann man aber schon heute mit einem komplett klaren Nein beantworten.

Crash – oder Crash?

Alle entscheidenden Figuren der US-Geldpolitik – von Alan Greenspan bis Ben Bernanke – haben immer darauf verwiesen, dass die US-Notenbank das notwendige Geld zur Schuldenbegleichung „einfach drucken“ könne – und dies auch tun werde. Genau genommen geschieht das bereits seit 2008 im großen Stil. Diese „Monetisierung“ der Staatsschulden ist es, die man drosseln wollte.

Aber die USA stecken in einer Zwickmühle: Wenn die Notenbank ihre Anleihenkäufe zurückfährt, könnte es zu einem Crash kommen. Macht die Fed so weiter, könnten die ausländischen Dollar-Halter nervös werden und ihre Bestände auf den Markt werfen. Die Folge wäre ebenfalls ein Crash.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2013)


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