Strafen: Ministerin bremst Polizei

PK/ 26 UeBERFAeLLE AUF BANKINSTITUTE GEKLAeRT: MIKL-LEITNER
PK/ 26 UeBERFAeLLE AUF BANKINSTITUTE GEKLAeRT: MIKL-LEITNERAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Gewerkschaft und Innenministerin kritisieren eine Anordnung, dass jeder Beamte in Floridsdorf sieben Strafmandate im Monat vergeben soll. Ein Missverständnis, sagt die Polizei.

Wien. Am Anfang standen Beschwerden – und am Ende auch wieder. „Kopfgeldjäger“ und „Geldeintreiber“ mussten sich Wiens Polizisten heißen lassen, nachdem vergangene Woche eine „Anweisung“ an Floridsdorfer Polizisten publik geworden war, dass diese monatlich mindestens sieben Strafmandate an Verkehrssünder zu vergeben hätten.

Gestern, Dienstag, sah sich sogar die Innenministerin genötigt, einzuschreiten: „Sollte es eine derartige Anweisung geben, ist sie sofort zu revidieren“, erklärte Johanna Mikl-Leitner. „So etwas darf es nicht geben“, und wenn doch, sei es „vollkommen inakzeptabel“.
Darauf erklärte wiederum Wiens Landespolizeipräsident, Gerhard Pürstl, eine derartige Anordnung gebe es ohnehin nicht: „Es existiert keine Anordnung der Wiener Polizeiführung, die Polizisten eine bestimmte Zahl zu erstattender Anzeigen vorschreibt.“

1 Was wurde in der Wiener Polizeiführung also dann angeordnet?

In Floridsdorf häuften sich zuletzt Beschwerden über rücksichtslose Autofahrer. In einer Besprechung – deren Protokoll vergangene Woche medial aufgegriffen wurde – wollte der Bezirkskommandant die Leiter der einzelnen Inspektionen überzeugen, Beamte stärker für Verkehrskontrollen einzusetzen. Unter anderem habe er dabei verlangt, jeder Polizist solle eine Stunde im Monat zur „Ahndung von Verkehrsübertretungen investieren“. „Zur Illustration dieser Anweisung hat er dann die Zahl von sieben Mandaten verwendet“, die jeder Beamte im Monat bringen solle, sagt Polizeisprecher Roman Hahslinger – der vergangene Woche noch bestätigt hatte, dass die Zielvorgabe von sieben Strafen pro Monat als Messlatte dienen könne. Dabei habe es sich aber eben um keine Weisung gehandelt – sondern nur um ein Beispiel, um den Führungskräften zu verdeutlichen, welchen Mehraufwand er sich vorstelle. Für diese „missverständliche“ Formulierung hat Pürstl den Bezirkspolizeikommandanten inzwischen gerügt.

Schon 2012 hatte es einen ähnlichen Fall gegeben: Beamte des Bezirkspolizeikommandos Donaustadt wurden schriftlich angewiesen, künftig mindestens zehn Mandate wegen Falschparkens im Monat zu verteilen. Landeskommandant Karl Mahrer hob die Verfügung damals sofort auf.

SPÖ-Polizeigewerkschaftsvorsitzender Hermann Greylinger hat solche Maßzahlen gestern so begründet: „Die Anordnungen haben ihre Basis sowohl in der Politik, wo es Befindlichkeiten zu befriedigen gibt, als auch in den Kommanden, wo Führungspersönlichkeiten in vorauseilendem Gehorsam glauben, tätig werden zu müssen.“

2 Wie viele Mandate verteilt ein Polizist normalerweise im Monat?

2011 wurden in Wien 529.300 Anzeigen und Organmandate wegen Zuschnellfahrens verteilt. Durchschnittlich hat jeder der 3353 Polizisten, die zu dieser Zeit in der Bundeshauptstadt im Außeneinsatz waren, demnach 13,2 Strafen vergeben. Das wird allerdings dadurch verzerrt, dass ein großer Teil der Schnellfahrer per Anonymverfügungen gestraft wird. Etwa dann nämlich, wenn jemand von einer fixen Radarbox geblitzt wird – womit Außendienstpolizisten nicht befasst sind. Die durchschnittliche Zahl der pro Polizist verteilten Mandate dürfte knapp über sieben im Monat liegen.

3 Wer könnte ein Interesse an mehr Strafen haben?

80 Prozent der Einnahmen aus Verkehrsstrafen kommen dem Straßenerhalter zugute – in Wien also der Gemeinde bzw., im Fall der Stadtautobahnen, der Asfinag. 2011 haben diese dank einer deutlichen Steigerung bei der Zahl der Gestraften rund zehn Millionen Euro mehr ins Budget bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2013)

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