Brisanter Kassasturz bei Spar

Spar Bilanz Drexel
Spar Bilanz Drexel(c) Fabry
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Der Handelskonzern Spar hat heuer erstmals alle seine Bilanzen veröffentlicht. Bilanzexperte Romuald Bertl hat sie analysiert. Und stellt kein gutes Zeugnis aus: Der Konzern hat Milliardenschulden.

Am Anfang war ein Rechtsstreit. So weit, so üblich in der Welt der Wirtschaft. Die Grazer Shopping City Seiersberg hat also den Handelskonzern Spar Anfang des Jahres geklagt. Seiersberg sieht sich nämlich als Mitbewerber der Spar-Gruppe, die ebenfalls Einkaufszentren betreibt - und witterte einen Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb: Es ging darum, dass Spar zwar den Jahresabschluss für die „Spar Österreichische Warenhandels AG" eingereicht hat. Also für jenes Unternehmen, das das traditionelle Handelsgeschäft in Österreich abwickelt. Allerdings: Die Bilanzen der Konzernmütter „Holdag Beteiligungsges.m.b.H." sowie der „Spar Holding AG" wurden nicht veröffentlicht. Und das widerspreche, so der Kläger, der gesetzlich vorgeschriebenen Veröffentlichungspflicht.

Theoretisch könnte man die Sache freilich als schon längst abgehakt bezeichnen: Der Spar-Konzern hat sämtliche Bilanzen im Sommer hinterlegt. „Freiwillig", wie Spar-Sprecherin Nicole Berkmann betont. Alles gut also.
Oder auch nicht.
Denn die Seiersberg-Geschäftsführer Christian Guzy und Martin Klein hatten seinerzeit sinngemäß behauptet, dass Spar wohl Unangenehmes zu verschleiern habe, wenn der Konzern so ein Geheimnis aus seinen Bilanzen macht. Und Spar hatte damals postwendend mit einer Klage wegen Rufschädigung gedroht.
Tja, und nun hat Seiersberg vorgebaut: Der renommierte Bilanzexperte Romuald Bertl wurde mit einem Gutachten betraut. Einem Gutachten, in dem die wirtschaftliche Situation der Spar-Gruppe aufgrund der nun vorliegenden Bilanzen dargestellt werden soll.

94 Seiten Gutachten

Das Gutachten ist jetzt fertig. Es misst 94 Seiten und wurde Anfang der Woche beim Landesgericht Salzburg hinterlegt. Sagen wir es so: Es enthält für den Spar-Konzern alles andere als erfreuliche Nachrichten. Zumal die jetzt auch noch öffentlich werden - und Spar regelmäßig Anleihen begibt.

Romuald Bertl zieht im Gespräch mit der „Presse" folgenden Schluss für den Konzern mit insgesamt 75.000 Mitarbeitern: „Der Konzern ist krisenanfällig, was seine Finanzierung anbelangt." Für ihn habe es jedenfalls bei Durchsicht der Bilanzen „drei wesentliche Erkenntnisse" gegeben:
1.) Der Konzern erzielte 2012 keinesfalls einen Umsatz in Höhe von 12,6 Milliarden Euro. Dies hatte Spar im Februar 2013 via Presseaussendung behauptet - und sich über den „Geschäftsverlauf 2012 sehr zufrieden" gezeigt. Laut den nun veröffentlichten Bilanzen lag der Umsatz im Jahre 2012 bei 8,9 Milliarden Euro.
2.) Zitat aus dem Gutachten: „Aus Finanzierungssicht überrascht das im Gesamtkonzern der Spar-Gruppe feststellbare hohe negative Working Capital zwischen EUR -850 Mio. und EUR -1 Mrd." Zum besseren Verständnis: Working Capital ist (ähnlich dem Cashflow) ein Indikator für die Finanzkraft des Unternehmens. Errechnet wird die Kennzahl aus dem Umlaufvermögen minus den kurzfristigen Verbindlichkeiten. Ist das Working Capital positiv, dann besagt dies, dass kurzfristige Verbindlichkeiten durch Vermögensteile gedeckt sind. Ein negatives Working Capital ist also gar nicht gut - vor allem nicht im Ausmaß der Spar-Gruppe.
3.) Die Verschuldung der Spar-Gruppe ist sehr hoch. Sie liegt bei insgesamt 6,5 Milliarden Euro - und das bei einem Umsatz von 8,9 Milliarden und einer Bilanzsumme von acht Milliarden Euro.
Das Thema Verschuldung ist einer näheren Betrachtung wert. Da wären einmal üppige Leasing-Verbindlichkeiten. Bertl schreibt von Beträgen, die absolut aber auch relativ hoch seien. In der gesamten Gruppe erreichten sie jedenfalls 2,7 Mrd. Euro. Die Schlussfolgerung des Gutachters: „Bei einer nachhaltigen Verschlechterung der Ertragslage ist die aus dieser Finanzierung resultierende Belastung erheblich (z. B im Zusammenhang mit Fortbestandsprognosen)."

Ein weiteres Schuldenproblem ist quasi hausgemacht: Bilanzexperte Bertl hat herausgefunden, dass „die Spar Österreichische Warenhandels-AG in der Spar-Gruppe die zentrale Finanzierungsposition ausübt." Das heißt: Sie schießt diversen Tochter- bzw. Schwestergesellschaften Kapital zu. Und das nicht zu knapp. Zitat: „Im Jahresabschluss 2012 der Spar Österreichische Warenhandels-AG werden EUR 1.043.246.784 an Forderungen gegenüber verbundenen Unternehmen ausgewiesen." In Worten: gut eine Mrd. Euro. Aus dem Gutachten: „Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Spar Österreichische Warenhandels-AG die Finanzierung der Schwestergesellschaften übernimmt." Zudem hafte das Unternehmen mit 300 Millionen Euro für Schwestergesellschaften. Bertl: „Das Risiko der Schwestern ist damit auch eines für die Spar Warenhandels-AG."

Doch welche Schwester- bzw Tochtergesellschaften sind es, die Probleme haben und Geld benötigen? Da hat Gutachter Bertl im Wesentlichen drei Problemgesellschaften in der Gruppe ausgemacht: die Spar-Töchter in Ungarn, Tschechien und in Kroatien.
Vor allem die Ungarn-Tochter stelle ein großes Problem dar, sagt Bertl: „Sie ist die wirkliche Wunde in der Gruppe und könnte ohne die Spar Warenhandels-AG nicht existieren." Jedenfalls hat sie in den vergangenen zwei Jahren eine Eigenmittelzufuhr von 116 Mio. Euro erhalten. Im vergangenen Jahr wurde trotzdem ein Verlust von 44,2 Mio. Euro verbucht. Gegenüber „verbundenen Unternehmen" (also innerhalb der Spar-Gruppe) hat sie Verbindlichkeiten von 254 Millionen Euro. Und das bei einem Jahresumsatz von 1,2 Milliarden.

Spar: Gutachten "für den Prozess irrelevant"

Für Spar-Chef Gerhard Drexel nimmt Sprecherin Berkmann Stellung, und sie findet das Gutachten „für den Prozess irrelevant". Trotzdem: die Schulden des Konzerns müssten „immer dem Vermögen gegenüber gestellt werden. Und unser Anlagevermögen ist deutlich höher als die Schulden." Die Ungarn-Tochter leide unter einer Sondersteuer, „mit der alle ausländischen Handelsunternehmen belegt wurden". Die Sondersteuer habe Spar 75 Mio. Euro gekostet. Davor sei Spar-Ungarn sehr erfolgreich gewesen. „Auch derzeit befindet sich Spar-Ungarn bereits operativ wieder in der Gewinnzone."
Zu Spar-Kroatien (in den letzten beiden Jahren 32 Mio. Eigenmittelzufuhr und 13,6 Mio. Euro Verlust) betont sie, dass das Unternehmen sich noch in der Startup-Phase befinde. Die Umsatzentwicklung sei „äußerst positiv". Und Tschechien (22 Millionen Verlust) leide halt unter großem Konkurrenzdruck - doch daran werde gearbeitet. Grundsätzlich müsse aber gesagt werden, dass der Spar-Konzern eine „tadellose, solide und äußerst positive Entwicklung" nehme und „nachweislich profitabel" ist. 2012 sind sowohl das Ergebnis vor Steuern (von 111 auf 164 Mio. Euro) als auch die Eigenkapitalquote (von 25,5 auf 26,4 Prozent) gewachsen. Und beim veröffentlichten Jahresumsatz von 12,6 Mrd. Euro habe es sich um den Brutto-Verkaufsumsatz gehandelt - das sei international so üblich.

Und weil man rechtlich auf Kriegsfuß steht, legt Berkmann nach: Die Shopping City Seiersberg habe die Bilanz für 2012 noch gar nicht hinterlegt. In der letzten Bilanz habe sie jedenfalls ein negatives Eigenkapital ausgewiesen.
Die Replik von Seiersberg folgt sogleich: Die Bilanz 2012 sei sehr wohl bereits hinterlegt, und das seinerzeit negative Eigenkapital sei aus steuerlichen Gründen erfolgt.

Der Streit wird sich also wohl noch ein Weilchen hinziehen. Für den kommenden Dienstag ist ein weiterer Prozesstag anberaumt.

("Die Presse", Print-Ausgabe vom 12.10.2013)

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