Deutschland: Der schwarz-rote „Elefant“ trabt Richtung Plenarsaal

Union und SPD
Union und SPD(c) REUTERS (TOBIAS SCHWARZ)
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Union und SPD haben zum zweiten Mal sondiert. Schon vorab zeichneten sich Kompromisse ab. Auch über Posten in einer Großen Koalition wird spekuliert.

Berlin. Eine reine Freude hat auch Thomas Strobl nicht bei der Vorstellung, dass seine Union vermutlich schon bald mit der SPD regieren wird. „Ein riesiger Elefant im Plenarsaal“ sei eine solche „sehr, sehr große Koalition“, fürchtet der CDU-Fraktionschef von Baden-Württemberg. Aber mit einer Vier-Fünftel-Mehrheit im Bundestag ließe sich auch einiges bewegen in Deutschland – fragt sich nur, was und wohin. Um diese Richtung haben am Montagabend 21 Unterhändler in Berlin gerungen, beim zweiten Sondierungsgespräch von CDU, CSU und SPD.

Schon am Wochenende standen die Signale klar auf Schwarz-Rot, trotz des freundlichen Treffens mit den Grünen am Donnerstag. Dort vereinbarte die Union einen Folgetermin für Dienstag, und solange der nicht absolviert ist, wird Merkel sich beide Optionen offenhalten. Aber tatsächlich setzt die Kanzlerin auf die erfahrenen Profis in der Sozialdemokratie. Am Montag ging es um die heißen Eisen: Mindestlohn, Steuern, Familienpolitik, Europa. Ungewöhnlich offen plauderten die Verhandler im Vorfeld aus, auf welche Kompromisse es hinauslaufen soll. Denn SPD-Chef Sigmar Gabriel muss Erfolge vorweisen, wenn er seine Genossen auf dem Parteikonvent am Samstag zu Koalitionsverhandlungen überreden will.

Andrea Nahles weiß, was der Basis am Herzen liegt: Ohne einen flächendeckenden gesetzlichen Mindeststundenlohn von 8,50 Euro, forderte forsch die Generalsekretärin, „wird es eine Regierungsbeteiligung der SPD nicht geben“. Das kriegen wir schon hin, hallte es aus der Union zurück. Nur sollen nicht Politiker, sondern eine Kommission der Tarifpartner einen Mindestlohn aushandeln, der dann zum Gesetz erhoben wird. Dass 8,50 Euro rauskommen, wäre freilich Zufall. Aber man könnte ja vorab eine Bandbreite für Branchen rund um diesen Wert fixieren. Auch an Einschränkungen für Leiharbeit und einer „Solidarrente“ für Niedrigverdiener soll das Bündnis nicht scheitern.

Die SPD revanchierte sich mit einem Kompromissvorschlag zum Betreuungsgeld. Die verhasste „Herdprämie“ für Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause erziehen, wollte sie im Wahlkampf abschaffen. Nun soll jedes Bundesland entscheiden, ob es das Geld lieber in Krippenplätze steckt. Damit könnte CSU-Chef Seehofer, der seine familienpolitische Lieblingswohltat mit großer Sturheit gegen Widerstände von allen Seiten durchboxte, sie den Bayern weiterhin auszahlen.

Waffenstillstand bei Steuern

Auch bei den Finanzen geben sich die Sozialdemokraten handzahm: Höhere Steuern seien ja kein Selbstzweck. Die Union solle vorschlagen, wie sie ihre eigenen Projekte, von der Mütterrente bis zur Infrastruktur, ohne Mehreinnahmen oder neue Schulden finanzieren will. Seit sich abzeichnet, dass die schwarze Basis der Kanzlerin einen Bruch ihres Wahlversprechens „keine höheren Steuern“ kaum verzeihen dürfte, ist es um das große Thema still geworden. Gut möglich, dass hier alles so bleibt, wie es ist.

Wenig Chancen hat die SPD mit ihren Ideen zur Lösung der Eurokrise. Einen Schuldentilgungsfonds und ein weniger strenges Sparregime für die Südländer hat Merkel schon gegenüber den Grünen abgelehnt. Die Kanzlerin will weiterhin Deutschlands Stimme in Europa sein. Ein künftiger Vizekanzler Gabriel könnte sich aufs Inland konzentrieren und als Arbeits- und Sozialminister seine Verhandlungserfolge umsetzen. Die beiden können gut miteinander: Als Umweltminister in der ersten Großen Koalition hat Gabriel ein Vertrauensverhältnis zur „sympathischen Frau“ Merkel aufgebaut.

Sieben Ministerposten dürfte die SPD anstreben, einen weniger als beim letzten Mal, zwei mehr, als die FDP noch hält. Ob man auch den Schlüsselposten des Finanzministers fordert, bleibt offen. Auf den geübten Großkoalitionär Frank-Walter Steinmeier könnte sich die Union einlassen.

Dann müsste aber der immens beliebte Wolfgang Schäuble seine Politlaufbahn in anderer Funktion beenden. Das Auswärtige Amt könnte ihn noch locken. Freilich gälte es auch, die bisherige Arbeitsministerin, Ursula von der Leyen, zu versorgen. Und auch sie, munkelt man, sähe sich gerne als glanzvoll repräsentierende Außenministerin auf dem diplomatischen Parkett.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2013)

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