Deutschland: Schwarz-Grün ist höflich abgesagt

Schoen scheitern Schwarz Gruen
Schoen scheitern Schwarz Gruen (c) imago stock&people (imago stock&people)
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Die Grünen können nicht mit der Union. Jetzt wird es wohl die Große Koalition. Am Donnerstagnachmittag gehen die zähen Gespräche mit der SPD in die dritte und letzte Runde.

Berlin. Es ist fast Mitternacht. Über sieben Stunden haben Journalisten auf das Ende der zweiten Sondierungsrunde von Merkels Union mit den Grünen gewartet. Nun reiben sie sich die Augen, aber nicht aus Müdigkeit. Ist nicht eben erst durchgesickert, dass die Gespräche gescheitert sind? Doch dann diese freundlichen Worte: „Schöne Gespräche“ habe man geführt, erzählt die Grüne Noch-Parteichefin Claudia Roth fast gerührt, „geprägt vom Verstehen der anderen Seite“. Und obwohl es so „intensiv“ und „spannend“ war, gestehen Roth und Ko-Parteichef Cem Özdemir fast beiläufig, dass sie ihrer Basis „nicht die Aufnahme von Regierungsverhandlungen empfehlen können“. Der originelle Traum von Schwarz-Grün in Berlin ist ausgeträumt.

Geradezu elegisch tönt es von der Gegenseite. Ausgerechnet CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, der sich sonst für keine Attacke auf den grünen Erzgegner zu schade ist, hat „Verständnis für die Position der anderen entwickelt“. Er habe „keine Probleme gesehen, die unüberwindbar gewesen wären“. Wie bedauerlich, „da wäre noch eine Möglichkeit gewesen“. Einem Echo gleich antwortet Özdemir am Morgen: Man müsse jetzt „schauen, was herauskommt mit den Sozialdemokraten“. Wenn die schwarz-rote Sondierung scheitert, „kann es natürlich sein, dass man noch einmal miteinander spricht“.

Damit hat Merkel, nüchtern betrachtet, alles erreicht, was sie für weitere Runden im Ringen um eine neue Regierung braucht: Die Weichen stehen auf Große Koalition, was die Kanzlerin ebenso wünscht wie eine große Mehrheit der Deutschen. Dass Schwarz-Rot nicht alternativlos ist, hat sie der störrischen SPD so lange wie möglich vor Augen geführt. Die Tür zu den Grünen ist nicht zugenagelt.

Und dass nun alle betonen, wie harmonisch man sich ausgetauscht hat, ist eine feine Spitze gegen die störrischen SPD-Sondierer, vor allem Hannelore Kraft. Am Montag hätte die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen fast einen Eklat provoziert. „So kann man keine Verhandlungen führen“, schrie sie Merkel und CSU-Chef Seehofer an, erst eine eilig anberaumte Pause beruhigte die Gemüter.

Am Donnerstagnachmittag gehen die zähen Gespräche mit der SPD in die dritte und letzte Runde. Dann müssen die Genossen auf einem sonntäglichen Parteikonvent entscheiden, ob sie Koalitionsverhandlungen zulassen.

Ein zu schwacher Partner

Warum hat es mit den Grünen nicht geklappt? Nach ihrer Niederlage sind sie zu schwach, um als Juniorpartner der vor Kraft strotzenden Union bestehen zu können. Die linke Ökopartei ringt um eine neue Positionierung. Die Parteispitze ist zum Teil verjüngt, aber so unerfahren, dass eine routinierte Machtpolitikerin wie Merkel sie leicht an die Wand spielen könnte.

Als Stolpersteine nannten die Grünen unter anderem den Mindestlohn. Hier musste die Union hart bleiben, weil die Kraftprobe mit der SPD noch aussteht. Auf ihre Steuererhöhungspläne hätten die Grünen sogar verzichtet. Stattdessen forderten sie nur einen Abbau von ökologisch unverträglichen Subventionen. Dass die CDU/CSU ihnen da nicht entgegenkam, deutet an, wie gering Merkels Interesse an Schwarz-Grün anscheinend war. Immerhin: Zur Freude der Grünen zeigte man sich bei gesellschaftspolitischen Themen wie der doppelten Staatsbürgerschaft und Flüchtlingspolitik überraschend offen – an einer Nebenfront.

Also alles nur eine schöne, nicht ganz ehrliche Inszenierung? Auf die Oppositionsbank verwiesen, müssen die Grünen die alten Gräben wieder aufreißen. Aber dass Schwarz-Grün künftig eine neue Option für eine stabile deutsche Regierung ist, das dürfte von der Mittwochnacht bleiben. Vielleicht beginnt schon bald ein regionaler Testlauf – nämlich in Hessen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2013)

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