Der reichste Mann der Welt gibt den Kampf um den niederländischen Mobilfunker KPN auf. Ein kompletter Rückzug aus Europa käme aber zu teuer. Der Mexikaner muss es wohl wieder probieren: und zwar bei der Telekom Austria.
Wien. Den Sprung nach Europa hat sich Carlos Slim vermutlich etwas leichter vorgestellt. Ursprünglich wollte der mexikanische Multimilliardär Telekomunternehmen aus Europa günstig an der Börse aufkaufen, um seinem Konzern America Movil auch außerhalb Südamerikas mehr Gewicht zu verleihen. Doch der Widerstand in Europa ist größer als gedacht. Sein erster Versuch, die komplette Übernahme der niederländischen KPN, ist gescheitert, räumte der reichste Mann am Donnerstag ein.
Dabei hätte Slim immerhin 7,2 Milliarden Euro in die Hand genommen, um die fehlenden 70Prozent des Konzerns zu übernehmen und endlich in einem europäischen Telekomkonzern allein das Sagen zu haben. Doch die KPN hat per Gesetz das Recht, über eine Stiftung jeden Übernahmeversuch abzublocken, der „Fortbestand, Unabhängigkeit und Identität“ des Unternehmens bedroht. Genau das ist Ende August geschehen. Damals zog die Stiftung Optionen zum Kauf von KPN-Vorzugsaktien, sicherte sich so fast 50Prozent der Stimmrechte und zwang Slim zum Rückzug. Was der Mexikaner mit den 30 Prozent an der KPN vorhat, die seine America Movil jetzt besitzt, ist nicht entschieden. Klar ist nur: Das Aktienpaket ist erneut weniger wert geworden. Am Donnerstag sank der Wert der KPN-Aktien um zehn Prozent.
Teure Expansion nach Europa stockt
Doch die Niederlage in den Niederlanden ist alles andere als der Startschuss für den kompletten Rückzug des Milliardärs aus Europa. Dafür hat Carlos Slim bis dato zu viel Geld in Europa liegen lassen. Allein die KPN-Aktien verloren seit seinem Einstieg rund 70Prozent an Wert. Carlos Slim wird daher nur weiterziehen, um einen besseren „Einstieg“ nach Europa zu suchen.
Folgt man der Einschätzung der Anleger, könnte er den just in Österreich finden. Hier hält seine America Movil rund 24Prozent an der Telekom Austria. Seit der Mexikaner an Bord ist, wird über eine Übernahme des früheren Staatskonzerns spekuliert. Genau daran glauben offenbar auch die Aktionäre. Kurz nachdem bekannt wurde, dass sich Slim aus den Niederlanden weitgehend zurückzieht, schossen die Papiere der Telekom Austria an der Wiener Börse um über sechs Prozent in die Höhe. Auch in Österreich setzte es für den Milliardär bisher nur (fiktive) Verluste. So sank der Wert seines Aktienpakets an der Telekom Austria seit seinem Einstieg um rund ein Drittel oder 320 Mio. Euro.
Ziel ist die freundliche Übernahme
Verkaufen kann Slim die Telekom-Aktien jetzt also nur mit sehr hohem Verlust. Wahrscheinlicher ist aber ohnedies das Gegenteil: Slim will nach Europa. Und wenn es nicht über die Niederlande geht, dann kommt er eben zuerst über Österreich. Doch auch hierzulande ist der Investor nicht allein. Über die Staatsholding ÖIAG hält die Republik 28,84 Prozent an der Telekom Austria. Zumindest die Sperrminorität (25Prozent plus eine Aktie) muss die Staatsholding schon von Gesetzes wegen halten. Ob die ÖIAG allerdings um jeden Preis größter Anteilseigner bleiben will, steht in den Sternen.
Eines dürfte Carlos Slim nach seinem ernüchternden Abstecher in die Niederlande aber allemal gelernt haben: Europas Telekomfirmen mögen angesichts der harten Regulierung und des großen Wettbewerbs vielleicht am Zahnfleisch kriechen und an der Börse günstig zu haben sein. Leicht zu übernehmen sind sie deswegen aber nicht. Auf eine feindliche Übernahme wird sich der Mexikaner in Österreich daher wohl nicht einlassen wollen, sondern den Konsens mit der ÖIAG suchen, sind sich mehrere Beobachter der Branche einig.
Gut brauchen könnte die Telekom Austria die Milliarden der Nummer eins der Reichenliste von „Forbes“ allemal. Und nicht nur die. Auch die KPN ruderte am Donnerstag schon wieder kurz zurück: Man könne über alles reden, meinte KPN-Chef Eelco Blok. Diesmal müsse nur der Preis stimmen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2013)