Die Angst vor dem Platzen der Blase

The euro sculpture is seen outside the head quarters of the European Central Bank in Frankfurt
The euro sculpture is seen outside the head quarters of the European Central Bank in FrankfurtREUTERS
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Die Notenbanken pumpen Geld in die Märkte, was Immobilien, Anleihen, Gold und zuletzt Aktien verteuert hat. Doch auf die jüngste Zinssenkung der EZB haben die Börsen kaum reagiert. Platzt die Blase, bevor die Wirtschaft anzieht?

Wien. Als die Europäische Zentralbank (EZB) vergangenen Donnerstag die Leitzinsen auf ein neues Rekordtief von 0,25 Prozent senkte, reagierten die Börsen kaum noch. Sind die Kapitalmärkte immun gegen Kapitalspritzen geworden, weil die Angst vor einer Korrektur überwiegt? In den Wochen und Monaten davor hatten Dow Jones und DAX ein Allzeithoch nach dem anderen aufgestellt, der ATX brachte es auf ein Zweijahreshoch.

Und das, obwohl die Konjunkturaussichten gar nicht so rosig sind. Die Wirtschaft der Eurozone dürfte heuer das zweite Jahr in Folge schrumpfen. Auch die Schwellenländer lassen nach: Chinas Wirtschaft dürfte in diesem Jahr um 7,5 Prozent wachsen, und damit so schwach wie seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr. Die US-Konjunktur läuft besser, aber nicht gut genug, um die Arbeitslosenrate stark zu drücken. Diese liegt bei 7,3 Prozent und damit deutlich über 6,5 Prozent – jener Grenze, ab der die US-Notenbank Fed einen Anlass sieht, ihre Geldpolitik zu straffen.

Anleihen sind noch teurer

Was den Börsen einheizt, ist die Aussicht auf weitere Liquiditätszufuhr durch die Notenbanken. Das sorgt regelmäßig für scheinbar paradoxe Börsenreaktionen, wenn die Kurse steigen, obwohl die Zahl der Neuanträge auf US-Arbeitslosenhilfe nicht so stark zurückgegangen ist wie erwartet oder der private Sektor nicht so viele Jobs geschaffen hat wie angenommen: Denn solche Nachrichten erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed nicht so bald damit aufhört, in großem Stil Anleihen zu kaufen.

Diese Diskrepanz weckt die Frage: Entsteht gerade eine riesige Blase, aufgebläht vom billigen Notenbankgeld? Die moderate Reaktion der Börsen auf die EZB-Leitzinssenkung zeigt, dass die Euphorie am Abebben ist. Analysten halten eine Korrektur in der nächsten Zeit für zunehmend wahrscheinlicher. Ein Ende der Rallye erwarten sie vorerst aber nicht. Denn so sehr die gegenwärtige Situation jener von 2007/08 zu gleichen scheint, so groß sind auch die Unterschiede.

Die Alternativen zu Aktien sind rar. Stefan Maxian von der Raiffeisen Centrobank verweist etwa auf die Dividendenrendite europäischer Aktien, die deutlich über der Rendite zehnjähriger Staatsanleihen liegt (im historischen Vergleich sind diese Werte etwa gleich). 2007, im Jahr vor der Finanzkrise, erhielt man für Aktien weniger Dividende als für Staatsanleihen Zinsen.

Für Junk Bonds (Anleihen von Firmen schlechter Bonität) erhält man nur geringfügig höhere Zinsen, als die Dividende von Aktien ausmacht. Im historischen Vergleich sind Junk Bonds meist attraktiver. Das bedeutet freilich nicht, dass Aktien billig geworden sind, sondern nur, dass Anleihen teurer sind. Aktien seien normal bewertet, sagt Maxian. Die steilen Anstiege würden so eindrucksvoll aussehen, weil die Börsen vorher im Krisenmodus waren. Nun sei die Angst vor einem Kollaps gewichen.

Auch Marcel Schnyder, Chief Investment Officer bei LGT Capital Management, erwartet für die nächsten drei bis sechs Monate kein Platzen einer Blase auf dem Aktienmarkt. Auch wenn der Aufschwung an den Börsen nicht von Wirtschaftswachstum, sondern von der Geldpolitik getrieben ist, „sind Unternehmensgewinne da“. Auch die Firmen hätten von der in den Markt gepumpten Liquidität profitiert. Als Beispiel nennt er die „enormen Gewinne“ von Apple. Oder Sony: In Japan konnten exportorientierte Firmen wegen der Abwertung des Yen ihre Umsätze steigern, wenn auch zum Leidwesen der umliegenden Regionen.

Insgesamt baue sich aber etwas „sehr Ungesundes“ auf, meint Schnyder. Und zwar durch die weiter ausufernden Staatsschulden. Um gegenzusteuern, gebe es drei Ansätze: einen Schuldenschnitt, schrittweises „Weginflationieren“ oder ernsthaftes Sparen, „aber das tut weh“. Dass es in nächster Zeit beim Weginflationieren bleibt, hält Schnyder für wahrscheinlicher, als dass es zum Bankrott von Staaten kommt. Doch die Risikoprämien auf dem Anleihenmarkt müssten höher sein, meint er: „Anleihen zahlen nicht fair für das Risiko.“

Sorge um Schwellenländer

Die Fed will frühestens 2015 die Zinsen erhöhen. In der Geschichte hatte der Beginn eines Zinserhöhungszyklus meist keine schlimmen Auswirkungen auf die Börsen– da Zinserhöhungen ja im Normalfall mit Wirtschaftswachstum einhergehen. Doch bestehen diesmal indirekte Gefahren: Wie berichtet, fürchtet die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich eine Krise wegen der hohen Menge an Dollarkrediten in China und anderen aufstrebenden asiatischen Ländern. Eine neue Asienkrise, ausgelöst durch höhere Zinsen, könnte auch westlichen Banken– und der Börse– schwer zusetzen.

AUF EINEN BLICK

Die Börsenrallye der vergangenen Wochen und Monate wurde vor allem durch die Liquiditätsspritzen der Notenbanken angekurbelt. Auf die jüngste Zinssenkung der EZB haben die Märkte indes kaum noch reagiert. Die Angst vor einer Korrektur wächst.
Kurzfristig ist eine Korrektur möglich. Mittelfristig werden die Notenbanken an ihrer lockeren Geldpolitik festhalten: Da Aktien billiger sind als Anleihen, dürfte das Geld eher in den Aktienmärkten bleiben. Eine US-Zinserhöhung könnte aber den Schwellenländern zusetzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2013)

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