"Jetzt werden Hilfspakete im Minutentakt rausgeflogen"

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Die US-Marine hilft bei der Verteilung von Nahrung und Wasser. Die offizielle Opferzahl hält nun bei 4460.

Tacloban/Manila/Wien. Die offizielle Opferzahl nach dem Taifun Haiyan geht nach oben: Insgesamt 4460 Tote seien nun bestätigt, teilte ein UNO-Sprecher am Donnerstag mit. Endlich erreicht inzwishcen die Hilfe die Katastrophenopfer auf den Philippinen: Mit der Ankunft amerikanischer Marinesoldaten hat sich die Versorgung der Betroffenen deutlich verbessert. Hubschrauber der US-Marine flogen vom Flughafen Tacloban aus Tonnen von Hilfsgütern zu tausenden Menschen, die auf Nahrung, Wasser und Medikamente warten. Vor der Küste traf der Flugzeugträger USS „George Washington“ mit weiteren Hubschraubern an Bord ein. Im Hafen lief ein US-Marinefrachtschiff mit Trinkwasser ein.

Auf dem Flughafen haben sich laut Mitarbeitern internationaler Hilfsorganisationen die Güter gestapelt, konnten aber aufgrund logistischer Schwierigkeiten vorerst nicht verteilt werden. Die Behörden sehen sich schlichtweg überfordert: Lastwagen, mit denen sich die Toten von der Straße schaffen ließen, sind Mangelware – ebenso wie Benzin für die wenigen Lkw, die überhaupt noch fahrtüchtig sind.

„Man hat die Wahl, ob man ein und denselben Laster entweder zum Verteilen von Essen oder zum Einsammeln von Leichen nutzt“, sagte der Bürgermeister von Tacloban zu Lokalreportern. Außerhalb der Stadt begannen die Behörden nun bei strömendem Regen damit, etwa 300 Menschen in einem Massengrab beizusetzen.

„Hier landen jetzt Hubschrauber im Minutentakt, die Hilfspakete rausfliegen“, sagte der Sprecher der Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany, Mark Rösen, in Tacloban. Er war mit seinem Team aus Ärzten auf dem Weg nach Palo 15 Kilometer weiter südlich, um ein Feldlazarett aufzubauen. „Wir können bei Wundbrand auch Amputationen durchführen“, sagte er. „Aus Einsätzen in anderen Katastrophengebieten wissen wir, dass sich durch die Wärme, das verseuchte Wasser und die Bakterien Wunden sehr schnell entzünden. Amputationen sind also Maßnahmen, um Leben zu retten.“

Lastwagen fehlen

Auch auf dem Flughafen von Cebu, rund 45 Flugminuten von Tacloban entfernt, standen am Donnerstag mehr als ein Dutzend Frachtmaschinen aus aller Welt, die unter anderem Zelte, Decken und Fertighäuser anlieferten. Doch hier fehlten den philippinischen Behörden Lastwagen, um die Hilfsgüter zu verteilen. Das Infrastrukturministerium appellierte daher an Unternehmer, Lkw zur Verfügung zu stellen. Nach Angaben der philippinischen Armee wurden bis Donnerstag mehr als 700 Tonnen Hilfsgüter verteilt. 6000 Menschen seien aus dem Katastrophengebiet ausgeflogen worden.

„Maulkorb für den Staatschef“

Der Präsident der Philippinen, Benigno Aquino III., steht wegen seines Krisenmanagements zunehmend in der Kritik: Überlebende klagten, erst nicht ausreichend vor dem Sturm gewarnt worden zu sein und jetzt nicht schnell genug Unterstützung zu erhalten. Auch die Zeitungen des Landes, die sonst mit Kritik an Präsident und Regierung eher zurückhaltend agieren, gingen zum offenen Angriff über.

Kommentatoren der „Manila Times“ sprechen Aquino jegliches Takt- und Mitgefühl ab. In einer TV-Ansprache habe der Präsident lediglich von „Opferzahlen“ gesprochen, die glücklicherweise niedriger seien als zuerst gedacht. Tröstende Worte für die Nation hatte er aber keine übrig. Ein Kommentator fordert sogar: „Könnte man ihm nicht einfach einen Maulkorb verpassen?“ (ag/zoe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2013)

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