Vier Millionen nach Taifun obdachlos

Der Wettlauf um frisches Trinkwasser.
Der Wettlauf um frisches Trinkwasser.(c) REUTERS (STAFF)
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Nach ersten Schätzungen zerstörte der Supertaifun Haiyan auf den Philippinen weit mehr Häuser als erwartet. Der Sturm wird nun für China zum (politischen) Problem.

Mehr als eine Woche nach dem verheerenden Supertaifun Haiyan, der bisher ungekannte Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 380 km/h erreicht und mehrere zentrale Inseln des philippinischen Archipels wie Leyte und Samar verwüstet hat, wird klar, dass die humanitären Folgen noch ärger sind als bisher angenommen.

Zwar haben sich anfängliche Schätzungen über die Zahl der Todesopfer, die von mehr als 10.000 ausgingen, nicht erfüllt: Bisher fand man „nur“ 3700 Tote, etwa 1200 Menschen werden vermisst. Allerdings ist der Sachschaden weit größer als vermutet, vor allem wurden unglaublich viele Häuser, mehr als eine halbe Million, schwer beschädigt oder zerstört. Noch vor Tagen ist man von etwa 900.000 Obdachlosen ausgegangen – wie sich nun zeigt, dürften es aber mehr als vier Millionen sein.

Nationale und internationale Hilfsaktionen sind auf Touren gekommen, die Lieferungen von Wasser, Essen und Medikamenten erreichten am Wochenende auch entlegene Gebiete. Einen Großteil davon transportierten Hubschrauber, die vom Flugzeugträger „USS George Washington“ starteten. Zudem haben sich zehntausende Filipinos – die meisten davon haben Verwandte in der Katastrophenregion – auf eigene Faust auf Fähren und mit privaten Schiffen und Booten in Marsch gesetzt, um Hilfsgüter abzuliefern.

Peking macht sich unbeliebt

Der britische Zerstörer „HMS Daring“ wurde am Sonntag vor Ort erwartet, er war vor einigen Tagen von Singapur aufgebrochen und hat Hubschrauber an Bord. Zudem stößt in einigen Tagen ein Verband um die „HMS Illustrious“ dazu, ein Schiff, das einst als Flugzeugträger gebaut worden ist, heute aber Hubschrauber trägt, nämlich etwa 22 (die Royal Navy hat aus Spargründen seit 2010 vorerst keine Trägerflugzeuge mehr, Anm.).

Auch Japan bereitet die Entsendung von drei Kriegsschiffen, zehn Flugzeugen und sechs Hubschraubern mit insgesamt 1200 Soldaten vor, es ist der größte Hilfseinsatz des japanischen Militärs aller Zeiten und bringt auf dem politischen Parkett den Rivalen China einigermaßen in Verruf: Von dort kommt bisher keine Unterstützung durch Schiffe, Luftfahrzeugen oder Hilfsgüter, auch ein modernes Hospitalschiff liegt weiter im Hafen. China spendete bisher auch nur etwa 200.000 Dollar, ein Taschengeld im Vergleich zu den Millionen aus anderen Staaten. China hat ernste Territorialkonflikte mit den Philippinen im Südchinesischen Meer, und da das bereits als Ursache für Pekings Zurückhaltung gilt, ist China dabei, weiter an Ansehen in der Region einzubüßen.

Aufräumarbeiten und Wiederaufbau werden eine Herkulesaufgabe. Die Regierung beziffert die Schäden für Infrastruktur und Landwirtschaft auf 170 Millionen Euro. Die UN warnen vor einer Verschärfung der Lage, sollten die Reisbauern nicht vor der nächsten Aussaat im Dezember und Jänner Hilfe erhalten. Große Probleme gebe es auch im Fischfang, da viele Fischerboote zerstört wurden.

„Ihr müsst auch anpacken!“

Der wegen der schleppenden Hilfe kritisierte philippinische Präsident, Benigno Aquino III., besuchte am Sonntag erneut das Katastrophengebiet. Er reiste nach Guiuan auf Samar. Man werde alles tun, damit die Menschen versorgt würden, versprach Aquino.

„Die Menschen hier wollen ihr Leben zurück und nicht von Hilfspaketen leben“, sagte Guiuans Bürgermeister Christopher Gonzales. „Ihr müsst auch selbst anpacken“, erwiderte der Präsident. „Dann geht die Sache schneller.“

HINTERGRUND

China hat mit den Philippinen und anderen Staaten Südostasiens wie Vietnam und Malaysia ernste Konflikte wegen der Grenzziehung im Südchinesischen Meer. Mit den Philippinen herrscht seit mehr als einem Jahr sogar eine Art „kalter Seekrieg“, nachdem chinesische Truppen mehrere Atolle in laut Seerecht philippinischen Gewässern besetzt und philippinische Küstenwachschiffe mehr oder weniger unsanft abgedrängt hatten. Im Meeresgrund werden Rohstoffe vermutet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2013)

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