Die Verzweiflung unter den Betroffenen wächst: Die Verteilung von Essen und Wasser geht ihnen zu schleppend voran. Auch Helfer aus Österreich sind in den Krisengebieten.
Tacloban/Manila/Wien. Fünf Tage harren sie schon ohne Nahrung und ohne Wasser aus. Seit fünf Tagen warten sie auf medizinische Versorgung. Fünf Tage, nachdem der verheerende Taifun Haiyan weite Teile der Philippinen völlig verwüstet hat, werden die Betroffenen immer verzweifelter.
Am Mittwoch wurden in Alangalang im Norden der am ärgsten zerstörten Insel Leyte acht Menschen unter den Trümmern eines staatlichen Lagerhauses begraben. Sie wollten sich mit Reis versorgen, der in 50-Kilo-Säcken in dem Speicher gestapelt war, als dessen Wände einstürzten. Und in dem Dorf Abucay unweit der fast völlig zerstörten Stadt Tacloban lieferten sich Sicherheitskräfte Feuergefechte mit bewaffneten Zivilisten, wie der Lokalsender ANC berichtete.
Der philippinische Innenminister, Mar Roxas, versucht zu beschwichtigen: Die Maßnahmen zur Nothilfe würden plangemäß laufen. „Zuerst mussten wir die Ordnung wiederherstellen. Jetzt geht es darum, Nahrung und Wasser zu den Menschen zu bringen“, erklärte der Minister gegenüber der BBC. Die Flughäfen, Straßen und Häfen des Inselstaats können nur zu einem kleinen Teil verwendet werden. Mit elf Millionen Betroffenen handle es sich um die „größte logistische Operation in der Geschichte des Landes“, so ein Regierungssprecher.
Ausgebuchter Fährverkehr
„Hier in Manila laufen massive Vorbereitungsaktivitäten“, erzählt Georg Ecker vom Österreichischen Roten Kreuz. Der Oberösterreicher ist seit Mittwoch auf den Philippinen, wo er derzeit in die organisatorischen Vorbereitungsarbeiten eingebunden ist. „Hilfsgüter werden in großem Stil verpackt und verladen“, erzählt der Trinkwasserexperte im Telefongespräch mit der „Presse“. Die Hilfsgüter sollen per Lastwagen nach Leyte gebracht werden. „Doch was wir jetzt hier wissen, ist, dass die Fähre in den nächsten Wochen ausgebucht ist. Daher ist es unklar, inwieweit es möglich ist, tatsächlich nach Leyte zu kommen“, sagt Ecker.
Auch Caritas-Mitarbeiter, die derzeit auf der Insel Cebu sind, berichten, dass es aufgrund der völlig zerstörten Infrastruktur „ganz schwierig“ sei, auf Leyte weiterzukommen. „Der Flughafen ist für das Militär und für ausgewählten Flugverkehr geöffnet“, erzählt Andreas Zinggl der „Presse“ am Telefon. „Wir versuchen, per Schiff nach Leyte zu kommen und nehmen Treibstoff selbst mit.“
Auf der Insel Cebu hat die Caritas seit Sonntag Lebensmittel und Wasser an 6000 Betroffene verteilt. „Wenn die Nothilfe weiter so funktioniert, dann läuft es gut“, zeigt sich Zinggl im Gespräch zufrieden. „Die Straßen auf Cebu sind jetzt großteils frei. Die Leute haben Bäume, Äste und Leitungsmasten aus dem Weg geräumt“, sagt der Caritas-Mitarbeiter. Je weiter man in den Norden käme, umso stärker werde die Zerstörung. Zudem seien die Straßen gesäumt von Menschen, die aus Holz und Karton gebastelte Schilder mit der Aufschrift „Help“, „We need food“ hielten.
Auf Leyte ist die Situation dramatischer: Noch immer würden Leichen in der Stadt Tacloban liegen, aber niemand traue sich, sie anzugreifen. „Man wartet auf Leichensäcke und einen hygienischen Abtransport“, berichtet Gregor Nitiharjo, der Leiter des SOS-Kinderdorfs Indonesien, der sich derzeit in Tacloban aufhält. Über der Stadt liege der Geruch von Tod und Verwesung.
Zahl der Todesopfer korrigiert
Sechs zentralphilippinische Inseln wurden am vorigen Wochenende vom Sturm Haiyan verwüstet, bevor dieser weiter nach Vietnam und China zog. Während zuerst von bis zu 10.000 Toten die Rede war, gelten nun 2275 Menschen offiziell als tot und 3665 als verletzt. Man geht aber davon aus, dass diese Zahlen noch ansteigen werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2013)