Inflation: Zum Wachsen zu wenig, zum Leben zu viel

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Die Preise in Österreich steigen so langsam wie zuletzt 2010. Doch während sich das tägliche Leben stetig verteuert, reicht die offizielle Inflationsrate im Euroraum nicht aus, um die Wirtschaft zu beflügeln.

Wien. Benzin ist wieder deutlich billiger als vor einem Jahr, Essen und Wohnen etwas teurer, die Heizkosten blieben etwa gleich. Damit ist im Grunde alles gesagt, was einen durchschnittlichen Österreicher auf den ersten Blick an den jüngsten Inflationsdaten der Statistik Austria interessieren könnte. In Summe stieg der offizielle Verbraucherpreisindex um 1,4 Prozent – der niedrigste Wert seit dreieinhalb Jahren. In der Eurozone fällt die Preissteigerung mit 0,7 Prozent noch geringer aus, meldet Eurostat.

Eine gute Nachricht? Immerhin ist von der viel beschworenen Inflation derzeit nicht viel zu sehen. Zudem würden langsamer steigende Preise auch die Kaufkraft der Menschen erhöhen, meint etwa die britische Denkfabrik CEBR. Doch ganz so einfach ist es leider nicht.

Sorge wegen Japan-Dilemma

Denn erstens ist das, was die Statistiker am Freitag präsentiert haben, nur die halbe Wahrheit. So ignoriert der Verbraucherpreisindex etwa die Rallye an den Börsen komplett. Und auch die Artikel, die in den Warenkörben Platz finden, werden oft billiger gerechnet, als sie für Konsumenten sind. So werden technische Geräte etwa seit Jahren offiziell immer billiger, weil jede Qualitätsverbesserung als Preisminderung verzeichnet wird. Am Preis eines Computers ändert das nichts. Einen realistischeren Blick auf die tatsächliche Teuerung gibt der sogenannte Mikrowarenkorb, in dem sich vor allem Dinge des täglichen Lebens wie Lebensmittel finden. Er verteuerte sich in Österreich im Oktober um 3,8 Prozent.

Trotzdem bleiben die 0,7 Prozent nun einmal die offizielle Inflationsrate im Euroraum. Und genau diese offizielle Rate sollte nach den Statuten der EZB eigentlich knapp unter zwei Prozent liegen, um den Wert des Euro stabil zu halten und um der stockenden Wirtschaft den notwendigen Aufschwung zu geben. Nicht umsonst hat die EZB erst vergangene Woche den Leitzins in Europa auf das Rekordtief von 0,25 Prozent gesenkt. Doch die Effekte des billigen Geldes sind überschaubar: Während sich das tägliche Leben stetig verteuert, ist die offizielle Inflationsrate zu niedrig, um die Wirtschaft in Gang zu bringen.

So nähren die Zahlen die Sorge wegen eines japanischen Szenarios von Deflation und Stillstand. Dort vollführen Notenbank und Regierung seit Jahren alle möglichen Kunststücke, um die Menschen in die Geschäfte und die Preise nach oben zu treiben (rapide steigende Staatsdefizite inklusive). Großen Erfolg hatten sie damit bisher nicht. Die Konjunktur tritt weiter auf der Stelle. Umgelegt auf Europa und Österreich wäre eine derartige Entwicklung alles andere als wünschenswert. Vor allem, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass alle Budgetrechnungen der Regierung auf Wachstum ausgelegt sind.

Nullzinsen ohne große Wirkung

Die Frage ist, welche Mittel der EZB noch bleiben, um die Inflation auf den Zielwert von zwei Prozent zu bringen. Tatsächlich hat die Notenbank in den vergangenen Monaten die Geldmenge sogar leicht reduziert, was eher inflationsdämpfend wirkt. Das „Gegengift“ der Zinssenkung verpuffte hingegen weitgehend unbemerkt. Trotz niedrigster Sparzinsen denken die Menschen nicht daran, ihre Guthaben aufzulösen und gewinnbringender zu investieren. Eine Senkung auf null würde ähnlich wenig bewegen.

Doch auch die anderen Instrumente haben Tücken: So könnte die EZB den Banken eine neue Liquiditätsspritze verabreichen oder auf die Tender verzichten, mit denen sie den Banken Liquidität entzieht. Das könnten die Institute jedoch dazu missbrauchen, die Löcher in ihren Bilanzen zu stopfen, warnt Jens Weidmann, Chef der Deutschen Bundesbank. Er verteidigte die Zinssenkung, warnte aber davor, zu lange darauf zu bauen: „Die Risken und Nebenwirkungen nehmen dann zu, wenn das Medikament Niedrigzins zu einem Dauertherapeutikum wird, während die Wirksamkeit extrem niedriger Zinsen abnimmt, je länger sie anhalten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2013)

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