Mit der Texas-Reise hoffte der Präsident, die drohende Wahlniederlage 1964 abzuwenden.
Dallas. John Fitzgerald Kennedy begann den 21.November 1963, den Tag vor seiner Ermordung, mit einem Trip nach San Antonio, und der Grund dafür war – Geld.
In Texas hatte er drei Jahre zuvor mit nur 46.000 Stimmen gewonnen und damit den Einzug ins Weiße Haus geschafft. Doch Texas drohte ihm nun die Wiederwahl 1964 zu vereiteln. Denn seine demokratische Partei stand in den konservativen Südstaaten vor der Spaltung. Massenhaft liefen Demokraten zu den Republikanern über, die unter der Führung des demagogischen Senators Barry Goldwater gegen die Bürgerrechtsbewegung, die Liberalisierung der Gesellschaft und Kennedys Katholizismus agitierten.
„Bis 1960 hatten wir in Texas ein Sprichwort: ,Wir jagen Republikaner mit Spürhunden‘ – weil es hier so wenige davon gab“, erinnert sich Julian Read, der damalige Pressesprecher des demokratischen Gouverneurs von Texas, John Connally, im Gespräch mit der „Presse“.
Ein Trumpf-Ass namens Jackie
Connally hatte bis 1962 in Kennedys Kabinett als Staatssekretär für die Marine gedient. Er wusste, wie unbeliebt JFK in Texas war. Daher sollte sich Kennedy den Texanern so nahe wie möglich präsentieren; wenn sie ihn persönlich sähen, würden sie ihn schon mögen – und für ihn spenden.
Kennedy stimmte zu und zog ein Trumpf-Ass: seine Ehefrau, Jacqueline. „Wenn JFK reiste, kamen 100.000 Leute. Wenn Jackie dabei war, verdoppelte sie die Menge“, erinnert sich ein Zeitzeuge im Dokumentarfilm „JFK: The Final Hours“, der in Österreich am heutigen Freitag um 21.05 Uhr auf National Geographic zu sehen sein wird.
Die Rechnung ging auf. Die Massen waren in San Antonio ebenso vom Präsidentenpaar hingerissen wie beim nächsten Stopp in Houston. Nach einem Dinner mit Honoratioren und Geschäftsleuten wichen die Kennedys vom Protokoll ab und traten spontan bei einer Versammlung der Liga der lateinamerikanischen US-Bürger auf.
Jacqueline hielt ihre einzige Ansprache während dieser letzten Reise: auf Spanisch. Sie lobte „die noble hispanische Tradition, die schon mehr als 100 Jahre vor der Kolonisierung von Massachusetts so viel zu Texas beigetragen hat.“
¡Viva Kennedy!
„¡Viva Kennedy!“-Rufe geleiteten das Paar hinaus. Die letzte Nacht verbrachten die Kennedys in Fort Worth. Ein Inserat in einer lokalen Morgenzeitung beschuldigte den Präsidenten, ein Kommunist zu sein. „Jackie, wir fahren jetzt ins Land der Spinner“, quittierte er das trocken. Doch ein Frühstück der Handelskammer vor 2000 Geschäftsleuten war ein Erfolg: „Er hat uns alle eingenommen“, erinnert sich Cornelia Friedman, die Witwe des damaligen Bürgermeisters von Fort Worth.
Dann ging es in einem 14-minütigen Flug nach Dallas, wo Kennedy vor fast 2500 Zuhörern sprechen (und Spenden eintreiben) sollte. „Sie können wahrlich nicht sagen, dass Dallas Sie nicht liebt“, sagte Gouverneursgattin Nellie Connally, als die Limousine unter Jubel auf die Dealey Plaza glitt. Es waren die letzten Worte, die John Fitzgerald Kennedy hören sollte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2013)