Frankreichs neue Afrika-Intervention

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Wegen der chaotischen Lage in der Zentralafrikanische Republik schickt Paris 1000 Soldaten, UN-Truppen sollen folgen. Man wolle aber keinen Feldzug gegen Islamisten, heißt es.

Bangui/Paris/New York. Bereits zum zweiten Mal in seiner eineinhalbjährigen Amtszeit wagt Frankreichs sozialistischer Präsident François Hollande eine eigenständige Militärintervention: Die Regierung gab am Dienstag bekannt, dass etwa 1000 Soldaten in die von Bürgerkrieg und Verbrechen geplagte Zentralafrikanische Republik entsandt werden. Sie sollen die rund 400 Mann starke französische Garnison dort verstärken und einer afrikanischen Interventionstruppe helfen, die Lage zu beruhigen.

In dem bettelarmen Land mit seinen (geschätzten) fünf Millionen Einwohnern nördlich des Kongo und südlich des Tschad, das keine Küste hat, hat sich, von der nicht französischen Öffentlichkeit unterschätzt, seit einem Jahr ein Bürgerkrieg samt Putsch und Chaos abgespielt. Ein Rebellenbündnis namens Séléka hat Ende 2012 im Norden eine Revolte begonnen und rasch den Rest des Staates, der etwas weniger als doppelt so groß ist wie Deutschland, erobert. Präsident François Bozizé floh.

Warnung vor Völkermord

Der Führer der Rebellen und neue Staatschef, Michel Djotodia, löste seine Milizen auf, doch sind zahlreiche Rebellen wegen der schwachen Zentralarmee (nur 2000 bis 3000 Mann) weiter aktiv. Vor allem in entlegenen Regionen dauert die Gewalt an, seit Anfang November hat sie auch in der Hauptstadt Bangui wieder zugenommen. Angesichts der Krise hat Frankreichs Außenminister Laurent Fabius bereits vor einiger Zeit vor der Gefahr eines Völkermords gewarnt.

Die Lage wird dadurch erschwert, dass die meisten der Rebellenfraktionen in dem mehrheitlich christlichen Land, das viele Bodenschätze hat, Moslems sind. Djotodia ist der erste muslimische Präsident in der einstigen französischen Kolonie. Tatsächlich weisen immer mehr Gewalttaten zwischen Banden religiöse Motive auf, islamische Milizen kämpfen mit christlichen „Selbstverteidigungsgruppen“, es gibt Angriffe auf Moscheen und Kirchen. Von vielen Rebellen ist bekannt, dass sie aus mehrheitlich muslimischen Ländern wie dem Tschad und dem Sudan eingesickert waren.

Die neue Regierung ist nicht Herr der Lage; laut Fabius hätten auch eineinhalb Millionen Menschen nichts zu essen. Frankreich hat in den vergangenen Monaten im UN-Sicherheitsrat für eine UN-Schutztruppe geworben. Laut UN-Chef Ban Ki-moon könnte sie 6000 Soldaten und 1700 Polizisten umfassen, eine Abstimmung ist für Dezember avisiert. Bisher ist in dem Land neben den Franzosen eine 2500 Mann starke Eingreiftruppe der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas, die durch Truppen der Afrikanischen Union ausgebaut werden sollte – es sieht aber so aus, als ob die AU damit überfordert sein werde. Die frischen französischen Truppen sollen vorerst die Verbindungsrouten nach Kamerun sichern, von wo aus die Zentralafrikanische Republik vom Atlantik her erreichbar ist.

Aus Paris heißt es, die Intervention werde nicht den Umfang und das Ziel jener in Mali vom Jänner 2013 annehmen; dort haben französische Truppen mit Luftunterstützung aufseiten der Regierung eingegriffen, als Islamisten aus dem Norden Malis dabei waren, die Bevölkerungszentren im Süden inklusive der Hauptstadt Bamako zu erobern. Die Islamisten wurden in mehrwöchigen Kämpfen, bei denen auch Einheiten etwa aus dem Tschad gegen sie fochten, aufgerieben und flohen.

Interventionspräsident?

Die Intervention ließ vorübergehend auch die Beliebtheitswerte Hollandes, die zuvor miserabel waren, steigen; später fielen sie wieder in den Keller. Der 59-Jährige ist derzeit der unbeliebteste Präsident der Fünften Republik (seit 1958). Es gibt Vermutungen, die neue Intervention in Afrika könnte Hollandes Versuch sein, seine Beliebtheit zu retten; allerdings ist die Lage verworrener als jene in Mali – zumal die gewalttätigen Islamisten überall im Land sind und sich kaum noch „isolieren“ lassen. In Paris wird betont, dass man keinen Feldzug gegen Islamisten plane.

Frankreichs Botschafter in Österreich, Stephane Gompertz, bat übrigens erst Ende Oktober auch Österreich um Teilnahme an einer UN-Eingreiftruppe in dem Land. Das sei nicht nur eine „moralische Pflicht“, sondern auch eine politische, humanitäre und sicherheitstechnische Frage. Die Zentralafrikanische Republik sei Nährboden für Terroristen, es gelte, eine Ausweitung des religiösen Konfliktes in dem Land einzudämmen. (ag./wg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2013)

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