Der Koalitionspakt: Was auf die Deutschen zukommt

Es ist vollbracht: Gabriel, Merkel und Seehofer präsentieren den Koalitionsvertrag
Es ist vollbracht: Gabriel, Merkel und Seehofer präsentieren den KoalitionsvertragREUTERS
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Von Mindestlohn über Mütterrente bis Maut: SPD und CDU und CSU haben Lieblingsprojekte durchgebracht. Die Wohltaten im Sozialbereich und die Investitionen schlagen mit 23 Milliarden Euro zu Buche, Herkunft unklar.

Nach einem Verhandlungsmarathon einigten sich CDU, CSU und SPD gegen fünf Uhr früh in der Nacht auf Mittwoch auf eine erneute Große Koalition. 180 Seiten ist der Koalitionspakt dick, den die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) Mittwochmittag vorläufig unterzeichneten und präsentiert.

Eines ist jetzt schon klar: das wird teuer. Der Vertrag dürfte Mehrkosten von in Summe rund 23 Milliarden Euro verursachen. Für Bildung und Universitäten soll ebensoviel ausgegeben werden wie für die Verkehrsinfrastruktur (je fünf Milliarden Euro), für Forschung und Entwicklung sind drei Milliarden vorgesehen. Noch ist allerdings unklar, woher das Geld kommt, wenn es, wie vereinbart, ohne neue Steuern und neue Schulden gehen soll.

Dies sind, die wichtigsten Eckpunkte des Koalitionsvertrages, über den nun allerdings noch die 450.000 Mitglieder der SPD abstimmen müssen. Dies wird per Briefwahl Anfang Dezember stattfinden, das Ergebnis soll am 14. Dezember feststehen. Bei der CDU reicht die Zustimmung eines "kleinen Parteitags". Wenn alles glatt geht, wird dann der deutsche Bundestag Angela Merkel drei Tage später zum dritten Mal zur Kanzlerin wählen.

  • Mindestlohn: Bei ihrem entscheidenden Kernanliegen, das sie zur Bedingung für eine Regierungsbeteiligung gemacht hatte, setzte sich die SPD durch. Wie von ihr gefordert, wird es einen bundesweiten Mindestlohn von 8,5 Euro pro Stunde geben. Er gilt ab 2015, einzelne Kollektivvertrags-Partner können aber Ausnahmen bis 2017 vereinbaren, die unterhalb dieses Wertes liegen.
  • Aufweichung der "Rente mit 67": Auch dies ist ein Verhandlungserfolg der SPD. Für Personen, die 45 Versicherungsjahre vorweisen können, gilt das Pensionseintrittsalter von 67 Jahren nicht. Sie dürfen ab 2014 schon mit 63 in den Ruhestand treten. Vorerst. Denn der abschlagsfreie Pensionseintritt soll schrittweise von 63 auf 65 Jahre erhöht werden.
  • PKW-Maut für Ausländer: Gegen den erklärten Willen von Kanzlerin Angela Merkel sollen Autofahrer künftig auch per Vignette zur Kasse gebeten werden. Wirksam wird dies allerdings nur für Ausländer. Deutsche Staatsbürger müssen das Mautpickerl zunächst zwar ebenso erwerben, bekommen es aber mit der KFZ-Steuer gegenverrechnet. für die Maut hatte sich besonders die CSU stark gemacht.
  • Doppelte Staatsbürgerschaft: Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren wurden, müssen sich künftig nicht mehr bis zum 23. Geburtstag für einen der beiden Pässe entscheiden.
  • Homoehe: Einer der großen Konfliktpunkte in den Verhandlungen. Es gibt im Koalitionsvertrag ein gemeinsames Bekenntnis gegen Diskriminierung, verbunden mit der Absicht, rechtliche Regelungen zu beseitigen, die gleichgeschelchtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen. Beim Adoptionsrecht einigte man sich allerdings nur darauf, sich nicht zu einigen, und ein Urteil des Verfassungsgerichts umzusetzen.
  • Mütterrente: Frauen mit Kindern, die vor 1992 geboren wurden, bekommen ab Juli 2014 eine höhere Pension. Dies war ein wichtiges Anliegen der CDU gewesen. Damit soll die Ungleichbehandlung gegenüber jüngeren Jahrgängen gemindert werden. Die Kosten von "Mütterrente" und niedrigerem Pensionseintrittsalter belaufen sich laut Union auf 11,6 Milliarden Euro.
  • Lebensleistungsrente: Das schöne Wort bezeichnet schlicht eine Mindestpension. Dafür haben sich sowohl CDU wie SPD stark gemacht haben. Geringverdiener sollen künftig eine Mindestpension im Umfang von 850 Euro im Monat bekommen, was mit Kosten von etwa einer Milliarde Euro zu Buche schlägt.
  • Mehr Geld für Kinderbetreuung: Insgesamt sechs Milliarden Euro sollen in den Ausbau von Kindertagesstätten und Ganztagsschulen fließen.
  • Vorratsdatenspeicherung: Die geltende EU-Regelung, die eine Speicherung von Verbindungsdaten für sechs Monate vorschreibt, soll umgesetzt werden. Den ersten Versuch dazu hat ja das Verfassungsgericht aufgehoben. Die Regierung will allerdings innerhalb der EU darauf hinwirken, dass die Speicher-Spanne von sechs auf drei Monate verkürzt wird.
  • Bankenunion: Die Große Koalition will in der EU darauf hinwirken, den Fiskalpakt und das ESM-Gesetz zu ändern, mit dem Ziel, einen direkten Weg zur Rekapitalisierung angeschlagener Banken aus dem Euro-Rettungsfonds ESM zu ermöglichen.
  • Erneuerbare Energien: Bis zum Jahr 2030 soll ein Ökostrom-Anteil von 55 bis 60 Prozent erreicht werden. Die SPD hatte weit mehr gefordert, nämlich 75 Prozent.

(APA/Reuters/hd)

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