Ukraine: Demonstranten belagern Regierungsgebäude

Protesters try to break through police lines near the presidential administration building during a rally held by supporters of EU integration in Kiev
Protesters try to break through police lines near the presidential administration building during a rally held by supporters of EU integration in Kiev(c) REUTERS (Gleb Garanich / Reuters)
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Leichte Entspannung nach Eskalation der Proteste am Sonntag. Ein Parlamentsausschuss empfiehlt die Absetzung von Regierungschef Asarow.

In der Ukraine geht die Machtprobe zwischen den pro-europäischen Regierungsgegnern und Präsident Viktor Janukowitsch am Montag weiter. Am Vormittag blockierten etwa 1000 Demonstranten das Gebäude des Ministerrats in Kiew. Beamte wurden nicht zu ihrem Arbeitsplatz vorgelassen.

Am Sonntag hatten in der ukrainischen Hauptstadt schätzungsweise bis zu 500.000 Menschen Janukowitschs Rücktritt sowie einen Westkurs ihres Landes gefordert. Allerdings kam es am Rande der Kundgebung zu schweren Zusammenstößen von Randalierern mit der Polizei. 165 Menschen waren laut Angaben von Ärzten dabei verletzt worden. Fast 50 Sicherheitskräfte und zahlreiche Protestierer mussten in Kliniken behandelt werden. Mindestens 22 Menschen wurden festgenommen.

Unterdessen gerät Premierminister Nikolai Asarow in die Bredouille: Ein Ausschuss des ukrainischen Parlaments habe den Abgeordneten empfohlen, bei der Plenarsitzung am Dienstag für Asarows Ablösung zu stimmen, berichteten lokale Medien am Montag mit. Asarows "Partei der Regionen" zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass die Regierungsgegner nicht genügend Stimmen für eine Abwahl des Vertrauten von Präsident Viktor Janukowitsch sammeln würden.

Rüge aus der Nato, EU-Parlament für Neuwahl

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderte von Regierung und regierungskritischen Demonstranten, auf Gewalt zu verzichten. "Gewalt und Macht sind in einer demokratischen Gesellschaft keine Wege zur Beendigung politischen Streits", heißt es in einer am Sonntagabend in Brüssel veröffentlichten Erklärung. Rasmussen betonte, es sei "das Recht des Volkes, überall seine Ansicht in demokratischer Weise auszudrücken".

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), hat sich am Montag für eine vorgezogene Präsidentenwahl in der Ukraine ausgesprochen. Er hoffe, dass Präsident Viktor Janukowitsch die Demonstrationen ernst nehme und den Weg nach Europa freimache. "Wenn dies mit vorgezogenen Präsidentschaftswahlen verbunden werden könnte, umso besser", sagte Brok im Deutschlandfunk. "Die Bevölkerung hält den Kurs der Europäischen Union in weiten Bereichen für völlig richtig."

Sicherheitskräfte setzten am Sonntag massiv Tränengas und Blendgranaten ein. Einige Demonstranten versuchten, das Präsidentenamt in der Bankowa-Straße einzunehmen. Oppositionsführer Vitali Klitschko rief die Menge auf, den Unabhängigkeitsplatz (Majdan) nicht zu räumen. Regierungsgegner errichteten dort eine Zeltstadt - wie bei der prowestlichen Orangenen Revolution 2004 mit der derzeit inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko als Gallionsfigur. Der Chef der rechtspopulistischen Partei Swoboda (Freiheit), Oleg Tjagnibok, kündigte einen landesweiten Generalstreik an.

Parlamentspräsident bot Einigungsgespräch an

Parlamentspräsident Wladimir Rybak bot den Fraktionen einen Runden Tisch an. Mitglieder sowohl der Regierung als auch der Opposition sollten den brutalen Polizeieinsatz in der Nacht auf Samstag aufklären, bei dem eine Sondereinheit friedliche EU-Befürworter auf dem Majdan niedergeknüppelt hatte. Das Vorgehen hatte die Proteste noch angeheizt.

Entzündet hatten sich die Demonstrationen daran, dass Präsident Janukowitsch auf dem EU-Gipfel zur Östlichen Partnerschaft die Unterschrift unter ein weitreichendes Abkommen mit der EU verweigert hatte. Zuvor hatte Russland dem Nachbarland mit massiven Handelssanktionen gedroht. Regierungschef Mykola Azarow verteidigte die Entscheidung. Die Ukraine hätte große wirtschaftliche Verluste zu befürchten gehabt, sagte Azarow in Fernsehinterviews.

Auch in zahlreichen anderen Städten gab es Proteste, meist im proeuropäisch geprägten Westen. Im russischsprachigen Süden und Osten der Ukraine hingegen beriefen mehrere Gebietsparlamente für Montag außerordentliche Sitzungen ein. Dabei wollten sie Janukowitsch ihre Unterstützung aussprechen. Die ehemalige Sowjetrepublik ist in der Frage einer EU-Annäherung tief gespalten.

(APA/dpa)

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