Deutschland: Merkel legt Stolperstein für Ausländermaut

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Der Wahlkampfschlager der bayerischen CSU könnte nicht erst an Brüssel scheitern, sondern schon in Berlin. Eine Hürde im Koalitionsvertrag ist so formuliert, dass kein noch so kreatives Gesetz sie nehmen dürfte.

Berlin. Im Detail steckt der Teufel – oder manchmal auch das Gute, zumindest aus europäischer Sicht. Der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) steht vor der kniffligen Aufgabe, einen Wahlkampfschlager seines Parteichefs Horst Seehofer umsetzen zu müssen: eine Autobahnmaut, die de facto nur Pkw-Fahrer aus dem Ausland zahlen. Diese Intention geriet in Verdacht, die Partner im Binnenmarkt zu diskriminieren und in Konflikt mit EU-Recht zu stehen.

Zwar jubelte Ramsauer Anfang November über einen scheinbaren Freibrief aus Brüssel. Doch EU-Kommissar Siim Kallas ruderte rasch zurück. Und nun zeigt sich, dass die umstrittene Maut schon an innerdeutschen Hürden scheitern dürfte – dank eines teuflisch-segensreichen Details im Koalitionsvertrag.

Der im Ministerium ausgearbeitete Plan lautete so: Jeder, der auf deutschen Autobahnen fährt, ob Inländer oder Ausländer, muss eine Vignette kaufen. Aber alle in Deutschland gemeldeten Fahrzeuglenker sollen im Gegenzug weniger Kfz-Steuer zahlen, womit ihre Belastung „in der Summe kompensiert wird“. Wohlgemerkt: in der Summe. Das aber war Kanzlerin Angela Merkel gar nicht recht.

„Keiner“ stärker belastet

Sie machte ihrem Minister mehrmals persönlich klar, dass sie dieses Konzept nicht akzeptieren kann, berichtet nun die „Frankfurter Allgemeine“. Im fertigen Koalitionsvertrag von Union und SPD steht es denn auch etwas anders: Bedingung für die Maut ist, dass sie „keinen Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet als heute“. Wohlgemerkt: keinen. Der scheinbar kleine Unterschied stellt Ramsauers Beamte vor ein schier unlösbares Problem.

Denn die Jahresvignette muss um die 100 Euro kosten, um überhaupt nennenswerte Mittel für die Sanierung von Straßen einzubringen – auch das ist eine Bedingung aus dem Koalitionspakt. Viele deutsche Autofahrer zahlen aber deutlich weniger Kfz-Steuer. Zwischen 20 und 50 Euro beträgt sie für die Lenker von schadstoffarmen Kleinwagen oder Hybridfahrzeugen. Selbst wenn man ihnen alles erlässt, belastet sie die Maut zusätzlich. Umgekehrt könnten sich die Besitzer teurer Spritfresser etwas sparen – ein höchst unwillkommener Umverteilungseffekt.

Ähnlich wäre das Ergebnis, würde man die Mineralölsteuer senken: Wer viel fährt und Benzin verbraucht, wird belohnt, wer seinen sparsamen Kleinwagen meist in der Garage lässt, zahlt drauf. Zudem bewegt der Fiskus bei dieser Steuer ein gewaltiges Volumen. Schon eine geringe Senkung würde ein Loch in die Staatskassa reißen, das die knapp sieben Prozent Ausländer auf deutschen Autobahnen niemals füllen können.

Deshalb tüfteln nun zunehmend ratlose Juristen an einer Kompensation über die Einkommensteuer. Vom Regen in die Traufe: Es gibt genug Deutsche, die von dieser Steuer befreit sind, aber dennoch ein Auto fahren – Studenten, Pensionisten, Hausfrauen und Arbeitslose. Immer deutlicher zeichnet sich ab: Die im Ministerium beschworene „kreative Lösung“ wird es nicht geben.

Seltsam nur, dass sich auch Seehofer auf die neue Formulierung einlässt. Einiges spricht dafür, dass der Populist aus Bayern die Schwierigkeiten unterschätzt hat und in eine Falle getappt ist, die Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel ihm gestellt haben.

Selbst wenn er sein Liebkind doch noch über die Berliner Hürde hievt, droht weiteres Ungemach aus Brüssel. Schon 1987 stoppte die Kommission ein ähnliches Projekt in Belgien. Zwar kann jedes EU-Land im Rahmen von Bandbreiten seine Steuern nach Belieben senken und erhöhen. Um den Verdacht einer versteckten Diskriminierung zu entschärfen, dürfte aber die Steuersenkung dem „Pickerl“ wohl erst in gebührendem zeitlichen Abstand folgen. Auch das wäre nicht nach Merkels Geschmack. Im TV-Duell versprach die Kanzlerin noch: „Mit mir wird es eine Pkw-Maut nicht geben.“ Die Chancen stehen gut, dass sie ihr Versprechen halten kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2013)

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