Kremlchef Putin umgarnt die Ukraine

Stapelt ausnahmsweise tief: Russlands Präsident Wladimir Putin
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In seiner Rede an die Nation bestritt der Präsident, dass Russland eine Weltmacht sein wolle. Diese Botschaft ist vor allem auch an Kiew gerichtet.

Die Temperaturen in Moskau liegen unter null Grad. Wie es wiederum um die politische Großwetterlage bestellt ist, können Beobachter bei der alljährlichen Rede an die Nation des russischen Präsidenten Wladimir Putin erfühlen. Die Sätze, die der Präsident am gestrigen Donnerstag vor den Abgeordneten der beiden Parlamentskammern im Großen Kremlpalast sprach, werden sorgfältig auseinandergenommen, in ihre grammatikalischen Einzelteile zerlegt, jedes ihrer Wörter nach seinem Gewicht bewertet und wieder zusammengesetzt.

Länger als eine Stunde redete der Präsident - und mit Applaus wurde er belohnt, als er die frohe Botschaft verkündete, dass Russland erstmals seit dem Zerfall der Sowjetunion wieder ein natürliches Bevölkerungswachstum verzeichnen könne. Auch das Thema Wirtschaftslage streifte Putin und räumte dabei erstmals öffentlich ein, dass die Probleme nicht durch äußere Faktoren ausgelöst wurden: „Um es ganz klar zu sagen", betonte er, „die Hauptgründe für den wirtschaftlichen Abschwung liegen nicht außerhalb, sondern innerhalb des Landes."

Putin beklagte die niedrige Produktivität der Industrie und die anhaltende Kapitalflucht. Auch die interethnischen Konflikte im Land erwähnte der Präsident. In seiner Rede geißelte er eine sogenannte „amoralische Internationale", die für den Verfall der Kultur und Werte verantwortlich sein soll: Bewohner aus dem Süden Russlands - gemeint sind Kaukasier -, korrupte Behördenvertreter, die die „ethnische Mafia" beschützen würden, und russische Nationalisten, die auf ihre Art Separatisten seien.

"Kein Anspruch auf Weltherrschaft"

Auch die Positionierung Russlands im Weltsystem war ein Thema. „Wir waren immer stolz auf unser Land - wir streben aber nicht an, eine Supermacht zu sein, die etwa Anspruch auf Weltherrschaft erhebt", sagte der Kremlchef. Russland wolle, behauptete Putin, niemanden belehren, wie er zu leben hat - ein Seitenhieb auf die USA. Russland biete mehreren Ländern seine Zusammenarbeit an - etwa der Ukraine die Mitgliedschaft in der Zollunion. „Wir zwingen niemandem etwas auf. Aber wenn unsere Freunde den Wunsch zur gemeinsamen Arbeit haben, sind wir bereit", sagte Putin. Russland versucht seit Jahren, den Nachbarn von den Vorteilen einer Zollunion und eurasischen Wirtschaftsunion zu überzeugen. „Unser Integrationsprojekt beruht auf Gleichberechtigung, auf echten wirtschaftlichen Interessen."

USA diskutieren Sanktionen

In der Ukraine hatten sich vor drei Wochen Proteste entzündet, nachdem die Regierung von ihrem EU-Kurs abgerückt war. Die Demonstranten wenden sich gegen einen möglichen prorussischen Kurs und einen Beitritt zur Zollunion mit Russland. Kiew fürchtet im Fall einer EU-Annäherung Handelseinbußen und fordert von der EU Kompensationszahlungen von bis zu 20 Milliarden Euro.

In der ukrainischen Hauptstadt gehen die Kundgebungen unterdessen weiter. Geschätzte 20.000 Menschen demonstrierten am Donnerstag. Hohe Barrikaden im Zentrum sollen verhindern, dass die Polizei den Platz räumt. Für das Wochenende sind wieder Massenkundgebungen angekündigt, mehrere hunderttausend Teilnehmer werden erwartet.

Die USA verstärkten ihren Druck auf die ukrainische Führung: US-Verteidigungsminister Chuck Hagel warnte am Mittwoch seinen ukrainischen Kollegen Pawlo Lebedew davor, in irgendeiner Weise militärische Gewalt anzuwenden. Die US-Regierung ziehe „bestimmte politische Optionen in Betracht, darunter auch Sanktionen", sagte die Außenamtssprecherin Jennifer Psaki am Mittwoch (Ortszeit). Um repressive Staaten unter Druck zu setzen, haben die USA bisher etwa Einreiseverbote für Regierungsvertreter verhängt oder Vermögen eingefroren.

(som/ag)

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