Ukraine: "Repression diskreditiert Präsidenten"

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Eine Lösung der politischen Krise in Kiew ist nur möglich, wenn beide Seiten zu Kompromissen bereit sind, sagt der deutsche Ukraine-Experte Jakov Devcic.

Die Presse: Sehen Sie eine Möglichkeit des Kompromisses zwischen politischer Führung und Opposition? Was ist vom Gesprächsangebot von Präsident Janukowitsch zu halten?

Jakov Devcic: Ein ernsthafter Dialog der ukrainischen Führung mit den Demonstranten sowie der Zivilgesellschaft und der Opposition muss so schnell wie möglich stattfinden. Aus unserer Sicht müssen alle gesellschaftlichen Kräfte in die Gespräche miteinbezogen werden, um eine rasche Lösung der politischen Krise herbeizuführen. Sowohl der Staatspräsident als auch die Opposition müssen dabei ehrlichen Willen zeigen und zu Kompromissen bereit sein. Und es wäre wünschenswert, wenn der runde Tisch von einer neutralen Person aus dem EU-Umfeld moderiert würde, um die europäische Dimension der aktuellen Lage zu unterstreichen.

Im Zuge der Polizeieinsätze gegen Demonstranten kam es zu brutalem Vorgehen der Einsatzkräfte. Einigen Aktivisten droht nun strafrechtliche Verfolgung. Besteht in der Ukraine die Gefahr einer „Putinisierung“?

Zurzeit ist nicht absehbar, wie sich die Sicherheitslage in den nächsten Tagen und Wochen entwickeln wird. Nach den Erfahrungen der vergangenen Tage kann sich die Lage stündlich ändern. Die Opposition hat für das Wochenende angekündigt, so viele Leute zu mobilisieren, wie es seit der Unabhängigkeit der Ukraine noch nicht der Fall gewesen ist. Im Augenblick reisen immer mehr Ukrainer aus den Regionen nach Kiew.

Das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten auf dem Maidan sehen wir mit großer Sorge. Die Verfolgung von Demonstranten und von Oppositionellen sowie die Anwendung selektiver Justiz sind nicht akzeptabel und widersprechen jeglichen demokratischen Standards. Jede Form der Repression gegen die Proteste würde den Präsidenten und die Regierung international diskreditieren und deren Verhandlungsposition massiv einschränken.

Was ist von Sanktionen von westlicher Seite zu halten? Wie sollte die EU weiter agieren?

Zunächst sollten die verantwortlichen Entscheidungsträger in der Exekutive gemäß der ukrainischen Gesetze für das brutale Vorgehen gegen die Demonstranten auf dem Maidan zur Verantwortung gezogen werden. Die Regierung muss politisch und rechtlich für ihr Verhalten geradestehen. Falls sich die Situation noch weiter zuspitzen sollte und die staatlichen Sicherheitsorgane wiederholt unverhältnismäßig gegen friedliche Demonstranten vorgehen, wird man weitere mögliche Maßnahmen auf europäischer Ebene prüfen müssen.

Die Ankündigung möglicher Sanktionen der USA verdeutlichen, wie wichtig der europäische Weg der Ukraine dem Westen ist. Das ist ein deutliches Signal an den Präsidenten und die Regierung, friedliche Proteste zu schützen und den Ukrainern zu ermöglichen, ihren politischen Willen kundzutun. Das darf in keinster Weise ignoriert oder gar unterdrückt werden. Die ukrainische Regierung sollte von jeder Form von Gewalt Abstand nehmen.

ZUR PERSON

Jakov Devcic ist Mitarbeiter des Auslandsbüros Ukraine der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Kiew. Die KAS ist eine CDU-nahe politische Stiftung. Sie arbeitet mit der Werchowna Rada und Kommunalparlamenten, Nichtregierungsorganisationen, Universitäten und Think Tanks zusammen. Als politische Stiftung führt sie sowohl mit den Oppositionsparteien Batkiwschtschina und Vitali Klitschkos Partei Udar als auch mit der Jugendorganisation der Regierungspartei von Staatspräsident Viktor Janukowitsch Programme und Veranstaltungen durch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2013)

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