Wissenschaft: Neue Regierung unter Beschuss

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Amtsübergabe(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Die neue Regierung ist mit Protesten konfrontiert: Widerstand gegen die Auflösung des Wissenschafts-Ministeriums, das Lehrerdienstrecht und die Beamten-Gehaltsverhandlungen.

Wien. Auch wenn das Kabinett Faymann am Montag überirdisch vom Kanzleramt über den Ballhausplatz in die Hofburg zur Angelobung durch Bundespräsident Heinz Fischer gelangen konnte: Die neue Bundesregierung muss sich gleich in ihrer ersten Woche im Amt mit heftigem Widerstand verschiedener Gesellschaftsgruppen auseinandersetzen.

Die Abschaffung des eigenständigen Wissenschaftsministeriums – oder, wie es der jetzige Doppelminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) lieber nennt: die Zusammenführung mit dem Wirtschaftsressort – ist eine der umstrittensten Entscheidungen des Koalitionsübereinkommens. Dazu protestieren Lehrer und Schüler seit Montag Seite an Seite gegen geplante Änderungen im Bildungsbereich. Gestern Abend gingen in Wien und Graz insgesamt 1600 Junglehrer auf die Straße. Neben dem umstrittenen Lehrerdienstrecht steht etwa auch die neue Zentralmatura im Zentrum der Proteste. Doch damit nicht genug: Die Beamten wollen ab Mittwoch wegen des ihrer Meinung nach zu niedrig ausfallenden Gehaltsangebots demonstrieren.

Vor allem den viel beachteten Neuen in der Regierung, Neo-Familienministerin Sophie Karmasin, den Finanzstaatssekretären Sonja Steßl und Jochen Danninger, Justizminister Wolfgang Brandstetter, Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter und (als Außenminister) Sebastian Kurz, könnte so eine Schonfrist zur Einarbeitung nicht gegönnt sein.

Der Widerstand gegen die Auflösung des Wissenschaftsministeriums dürfte mit Angelobung und Amtsübergabe längst nicht vorbei sein. Für Dienstagnachmittag rufen Studentenvertreter zu Demonstrationen auf. Mehrere Unis geben dafür vorlesungsfrei.

Überhaupt setzten die Rektoren – die sich sofort nach Bekanntwerden der Nachricht mit einem Hilferuf an Bundespräsident Heinz Fischer gewandt hatten – am Montag noch eines drauf: Alle 21 Unis wurden schwarz beflaggt. Die Auflösung des eigenen Ministeriums sei ein schwarzer Tag für die Hochschulen. Die Facebook-Gruppe „Österreich braucht ein Wissenschaftsministerium“ hielt am Abend bei knapp 50.000 Mitgliedern. Die Grünen bringen im Nationalrat am Dienstag einen Antrag für ein eigenes Wissenschaftsministerium ein – mit namentlicher Abstimmung.

Der Tenor der Kritik gleicht sich: Wissenschaft und Forschung ohne eigenes Ressort könnten (noch weiter) an Stellenwert verlieren. Durch eine Fusion mit der Wirtschaft könnte die Grundlagenforschung, ebenso wie Künste oder Geisteswissenschaften, ins Hintertreffen geraten.

„Keine Geschenkversendestelle“

Dass das kein sonderlich guter Einstand ist, gibt auch der neue Minister Mitterlehner zu. Die Proteste respektiere er. „Die Symbolik mit den schwarzen Flaggen halte ich aber für stark übertrieben.“ Immerhin würde das Ministerium ja nicht abgeschafft: „Die Sektionen bleiben, die Spitzenbeamten bleiben.“ Ebenso wie übrigens die Probleme der Unis.

Dass das beste Argument zur Besänftigung der Kritiker wohl mehr Geld wäre, bejaht Mitterlehner. Er werde sich dafür einsetzen, alle Möglichkeiten gemeinsam mit dem Finanzminister auszuschöpfen. „Ich bin aber keine Geschenkversendestelle.“

Karlheinz Töchterle – der nach seinem Abgang als Minister ÖVP-Wissenschaftssprecher wird – hat seine Unterstützung zugesichert. Eine kleine Spitze konnte sich der Ex-Minister, der dem Radsportler Mitterlehner „für klare Sicht“ eine Radlerbrille geschenkt hat, dann übrigens doch nicht verkneifen. „Möge das einigermaßen riskante Experiment gelingen“, schloss Töchterle. (beba/red.)

Weitere Infos:www.diepresse.com/bildung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2013)

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