Deutschland: Eine Frau für alle Einsatzfälle

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Indem sie von der Leyen zur Verteidigungsministerin macht, stiehlt Kanzlerin Merkel der SPD die Show. Die Schwächung der CSU in Berlin dämpft bayerische Machtgelüste.

Berlin. Angriff, so heißt es, sei die beste Verteidigung. Die deutsche Kanzlerin Merkel zeigt zum Start ihrer Großen Koalition, dass es auch umgekehrt gilt: Verteidigung ist der beste Angriff. Wenn es nämlich um die Besetzung des Verteidigungsressorts geht und darum, die Bravourstücke von Sigmar Gabriel zu kontern. Eben noch waren die Blitzlichter auf den SPD-Chef und seinen geglückten Coup der Mitgliederbefragung gerichtet, schon wendet sich alle Aufmerksamkeit einer schwarzen Personalie zu: Ursula von der Leyen wird „Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt“, die erste Frau an der politischen Spitze der Bundeswehr.

Eine Sensation? Verteidigungsministerinnen sind in EU und Nato keine Seltenheit mehr: Spanien und Frankreich hatten eine, auf Kolleginnen aus Norwegen und den Niederlanden wird von der Leyen bald treffen. Die 55-Jährige hat naturgemäß „nicht gedient“, das galt aber etwa auch für Peter Struck, der bei der Truppe sehr beliebt war. Dass Amtsvorgänger Thomas de Maizière einmal als Grenadier im Schützenpanzer gesessen hat, verhinderte nicht seine Fehler beim Kauf von Drohnen und Kampfhubschraubern.

Dennoch ist die Rochade gewagt. Von der Leyen ist populär. Mit viel Herzblut hat die siebenfache Mutter aus großbürgerlichem Haus als Familien- und später Sozialministerin gegen ein verstaubtes CDU-Familienbild gekämpft, Elterngeld und mehr Krippenplätze durchgesetzt. Als Dauergast in Talkshows kennt sie jeder. In der Union ist die enorm selbstbewusste Politikerin weniger beliebt. Bei Frauenquote und Mindestpension agierte sie im Alleingang an der Partei vorbei. Das kostete ihr viele Sympathien, beim letzten CDU-Parteitag erhielt sie einen Denkzettel. Aber Merkel kann nicht auf sie verzichten: Von der Leyen ist fast die einzige aus den Reihen der Union, der man noch zutraut, die Kanzlerin beerben zu können.

Der Bendlerblock in Berlin aber ist ein gefährliches Kampfgebiet. Dort lauern graue Eminenzen in grauen Uniformen, die verkrustete Strukturen verteidigen. Die Truppe murrt, weil die Heeresreform für Unsicherheit sorgt. Teure Fehlinvestitionen bereiten Kopfzerbrechen. Der Abzug aus Afghanistan steht bevor. Und dann die große ungelöste Frage: Soll Deutschland bei künftigen internationalen Einsätzen seine Partner ähnlich im Stich lassen wie in Libyen? Lassen sich die friedliebenden Deutschen zu einem Kurswechsel überreden? All das macht den Einsatz von der Leyens fast zu einer Art Himmelfahrtskommando – aber zu einem, dem im Erfolgsfall eine politische Himmelfahrt folgen könnte.

Die Chronik der Rochaden

Wie kam es zu der überraschenden Besetzung? Am Anfang stand für Merkel nur fest, dass Schäuble ihr Finanzminister bleiben muss. Der Preis dafür: Das Arbeits- und Sozialministerium ging ebenso an die SPD wie das Außenamt. Damit verlor von der Leyen ihren Posten, aber auch die verlockende Alternative am internationalen Parkett. Als Gesundheitsministerin wäre die frühere Ärztin zwar prädestiniert, aber das kleine Ressort hätte einen Abstieg bedeutet. Das Innenministerium hätte ausreichendes Gewicht gehabt. Aber es ist strenge Tradition in Deutschland, Inneres und Justiz mit Juristen zu besetzen.

Also blieb nur Verteidigung. „Da muss man erst einmal tief Luft holen“, gestand von der Leyen auf die Frage, wie sie auf Merkels Angebot reagiert habe. Aber ihr gefällt die harte Aufgabe, auch weil sie internationale Auftritte beschert. Der neue alte Außenminister Frank-Walter Steinmeier wird Mühe haben, nicht im Schatten zweier Unions-Frauen zu verblassen.

Damit das Puzzle sich fügt, musste noch der zuletzt glücklose, aber verdiente de Maizière ins Innenressort zurückgelobt werden. Damit verliert die bayerische CSU ihre wichtigste Aufgabe in Berlin. Das Entwicklungsministerium ist ein schwacher Ersatz. CSU-Chef Seehofer, der nach seiner „Absoluten“ in Bayern auch in Berlin mehr Macht forderte, wird ein wenig in die regionalen Schranken gewiesen. Er dürfte wieder angreifen, spätestens dann, wenn es um seine Pkw-Maut für Ausländer geht. Aber zuvor darf in Berlin der politische Weihnachtsfrieden einkehren.

AUF EINEN BLICK

Sechs Ministerien stellt die CDU in der nun fixierten Großen Koalition. Ursula von der Leyen wechselt vom Sozial- ins Verteidigungsressort, Thomas de Maizière wird wieder Innenminister. Der bisherige Umweltminister, Peter Altmaier, zieht künftig im Kanzleramt die Strippen. Generalsekretär Hermann Gröhe übernimmt das Gesundheitsressort. Sein Nachfolger als Parteimanager ist ein ganz neues Gesicht: Peter Tauber, ein 39-jähriger Bundestagsabgeordneter und Internetexperte aus Hessen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2013)

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