Sebastian Kurz: "Mein Alter hat auch Vorteile"

Sebastian Kurz
Sebastian KurzDie Presse, Clemens Fabry
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"Presse"-Interview: Der neue Außenminister Sebastian Kurz reist zuerst am Freitag nach Kroatien, will neue Schwerpunkte in der Außenpolitik setzen und kündigt schmerzliche Einsparungen an. Für die Olympischen Spiele in Sotschi hat er keine Zeit.

Die Presse: Normalerweise tritt man im Außenamt mit 27 Jahren zur Aufnahmsprüfung an und nicht als Außenminister. Haben Sie sich nicht auch selbst gefragt, ob Sie zu jung für den Job sind?

Sebastian Kurz: Natürlich denkt man darüber nach. Ich habe großen Respekt vor der Aufgabe. Meine Jugend bringt auch Nachteile mit sich: Ich habe weniger Erfahrung als ältere Politiker, aber mein Alter hat auch Vorteile.

Und zwar?

Ich habe viel Energie und die Chance, Themen aus einem jüngeren Blickwinkel zu sehen.

Und was sieht man aus Ihrem Blickwinkel anders?

Ich bin in einer anderen Zeit aufgewachsen. Europa ist für mich selbstverständlich, auch das Friedensprojekt. Mein Anspruch geht darüber hinaus, weil ich Europa nicht anders kenne. Bei meinen Reisen, nach Singapur etwa, habe ich immer wieder feststellen müssen, dass Wachstum und Fortschritt außerhalb Europas stattfinden.

Das fällt 65-Jährigen allerdings auch auf.

Geändert hat sich trotzdem nichts. Die Frage ist, ob Jüngere anders darauf reagieren. Es ist sinnvoll, wenn junge Leute daran mitarbeiten, dass die EU ein Projekt mit Zukunft ist.

Die Bestellung zum Außenminister hat Ihnen viel Aufmerksamkeit eingebracht. Wie wollen Sie dies nutzen?

Das mediale Interesse in Österreich möchte ich nutzen, um die oft abstrakte Europa- und Außenpolitik als Übersetzer näher zur Bevölkerung zu bringen. Ich will so wieder Begeisterung und Wertschätzung wecken. Von internationalen Medien und Politikern kamen viele positive Rückmeldungen. Das freut mich. Nicht aus Eitelkeit. Es gibt mir die Möglichkeit, leichter Kontakte zu knüpfen.

Wie werden Sie den Außenminister-Job anlegen?

Ich bin jemand, der das Gespräch sucht, der offen für Ideen und Kritik ist. Und genauso will ich es anlegen. Ich möchte auf das Wissen im Außenministerium zurückgreifen. Ich sehe meine Rolle darin, diese Expertise zusammenzuführen, mir ein Bild zu machen und dann die Entscheidung zu treffen.

Haben Sie schon überlegt, wie Sie das Profil der zuletzt passiven österreichischen Außenpolitik schärfen?

Wir sind keine Supermacht. Aber wir können Schwerpunkte setzen. Österreich hat ein sehr gutes Standing auf dem Westbalkan. Das möchte ich ausbauen. Darüber hinaus will ich gemeinsam mit Experten zusätzliche thematische Nischen für Österreich finden.

Wohin wird Sie Ihre erste Reise führen?

Ich werde am Freitag nach Kroatien reisen. Österreich hat Kroatien begleitet beim Weg in die EU, wir sind dort wirtschaftlich stark, es lässt sich ein Bogen zur Integration spannen: In Österreich leben viele mit kroatischen Wurzeln. Kroatien kann ein noch wichtigerer Partner werden.

Können Serbien und andere Länder der Region in fünf Jahren EU-Mitglieder sein?

Es kommt darauf an, ob sie die Beitrittskriterien erfüllen. Für Österreich ist es sinnvoll, wenn Serbien und andere Länder des Westbalkans EU-Mitglieder werden. Wir werden sie dabei unterstützen.

Es leben hierzulande auch viele Menschen mit türkischen Wurzeln. Trotzdem argumentiert Österreich gegen einen EU-Beitritt der Türkei. Ist diese Politik richtig gewählt?

Wir sagen, ein Beitritt muss genau geprüft und überlegt sein. Ich sehe da keinen Widerspruch zu einer guten wirtschaftlichen und politischen Kooperation mit der Türkei. Und Österreicher mit türkischen Wurzeln können dabei Brückenbauer sein.

Das ist ein großer Unterschied zur EU-Perspektive, die Österreich dem Westbalkan bietet.

Die Türkei ist ein Riesenland mit sehr vielen offenen Fragen. Ich halte es deshalb für richtig, zu sagen, dass ein EU-Beitritt derzeit noch kein Thema ist.

Welche Schwerpunkte wollen Sie über den Balkan hinaus setzen?

Ich bin kaum 24 Stunden im Amt. Ich maße mir nicht an, selbst alles am besten zu wissen. Eines meiner Ziele ist, das Außenministerium noch stärker als Service-Einrichtung zu positionieren, für Geschäftsleute, Urlauber und die 500.000 Auslandsösterreicher.

War es richtig, die österreichischen Soldaten von den syrischen Golanhöhen abzuziehen?

Ich musste damals die Entscheidung nicht treffen. Im Nachhinein ist es immer leichter zu urteilen. Der Golanabzug hat unserem internationalen Ansehen nicht unbedingt geholfen. Man muss aber hinzufügen, dass auch andere Länder ihre Soldaten abgezogen haben. Wir sollen unsere Rolle beim Friedenserhalt sehr ernst nehmen. Wir haben daher im Regierungsprogramm eine Mindestbeteiligung an internationalen Einsätzen festgeschrieben.

Diese Mindestanforderung ist derzeit nicht erfüllt. Wird sich Österreich bald wieder an einem UN-Einsatz beteiligen?

Ich habe am Montag mit dem Verteidigungsminister ausgemacht, dass wir uns möglichst schnell beratschlagen, wo Soldaten zum Einsatz kommen können.

Welche Rolle spielt die UNO für Österreich?

Eine entscheidende, wenn es um den Weltfrieden geht, und für mich persönlich eine ganz besondere angesichts der engen Beziehung zwischen Österreich und der UN-Spitze: UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat mich gleich nach der Angelobung angerufen und mir als Erster gratuliert.

Worüber haben Sie mit ihm gesprochen?

Wo wir uns möglichst bald treffen können - wahrscheinlich im Februar bei der Sicherheitskonferenz in München. Ban Ki-moon hat zudem gemeint, dass meine Jugend ein Vorteil für den neuen Job sein könnte.

Zuletzt haben die Präsidenten Deutschlands und Frankreichs angekündigt, als Zeichen des Protests nicht nach Russland zu den Olympischen Spielen in Sotschi zu fahren. Wie werden Sie es halten?

Es gibt einen Sportminister. ÖOC-Präsident Karl Stoss hat mich gefragt, ob ich kommen möchte. Ich werde das noch entscheiden. Meine Priorität wird sein, mich bei den Nachbarn vorzustellen und bei den Amtskollegen in der EU.

Wovon werden Sie die Entscheidung abhängig machen?

Vor allem von der Zeit.

Von inhaltlichen Erwägungen nicht?

Schon, aber es wird sich wahrscheinlich zeitlich nicht ausgehen.

Gauck und Hollande kommen nicht, weil ihnen Putins Regierungsstil nicht gefällt. Halten Sie prinzipiell etwas von solchen symbolischen Gesten?

Natürlich. In der Außenpolitik sind solche symbolischen Gesten ja manchmal genau das, was man tun kann.

Wie bewerten Sie Russlands Vorgehen gegenüber der Ukraine?

Staaten sollten Entscheidungen souverän treffen können. Ich bin überzeugt, dass es für die Ukraine letztlich möglich sein muss, sich sowohl der EU anzunähern als auch eng mit Russland zusammenzuarbeiten. Alles andere wäre wirtschaftlich nicht sinnvoll für die Ukraine.

Im Moment kann die Ukraine entweder der Zollunion mit Russland beitreten oder der Freihandelszone mit der EU. Das eine schließt das andere aus.

Ein Entweder-oder-Modell hat keine Zukunft.


Warum haben Sie die Integrationsagenden ins Außenamt mitgenommen? Wäre es nicht zielführender gewesen, das Staatssekretariat fix zu institutionalisieren anstatt das Thema an Ihre Person zu binden?

Integrationsagenden sind durch das Bundesministeriengesetz institutionalisiert. Im Außenministerium gibt es nun eine neue Sektion, und die wird auch bestehen bleiben. Ich bin stolz, dass wir in den Koalitionsverhandlungen Fortschritte beim Thema Integration erzielt haben: Es wird ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr geben, vorbereitende Deutschklassen vor Schuleintritt und ein Anerkennungsgesetz für Berufsbefähigungen.

Die Koalition hat auch vereinbart, dass jedes Ministerium seine Ermessensausgaben um fünf Prozent kürzen muss. Wird das Außenministerium deshalb Botschaften schließen müssen?

Alle Ministerien werden einen Konsolidierungsbeitrag leisten müssen. Ich fürchte, das wird auch für das Außenministerium schmerzlich sein. Welche Auswirkungen die Einsparungen haben, werden wir gemeinsam mit den Sektionschefs beraten.

Und wann wird eine Entscheidung fallen?

In den nächsten Wochen.

("Die Presse", Print-Ausgabe vom 18.12.2013 )

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