Franziskus, der Tabubrecher

Rom Vatikan 18 12 2013 Papst Franziskus I bei der woechentlichen Generalaudienz auf dem Petersplat
Rom Vatikan 18 12 2013 Papst Franziskus I bei der woechentlichen Generalaudienz auf dem Petersplatimago/Ulmer
  • Drucken

Die katholische Kirche hat mit dem Rücktritt Benedikts und der Wahl von Franziskus ein bewegtes Jahr hinter sich. Doch das war offenbar erst der Anfang.

Rom. Für die katholische Kirche – von der Spitze bis zur Basis – war 2013 das Jahr der fortgesetzten Tabubrüche. Dabei beging den ersten und bis heute folgenreichsten ausgerechnet einer, dessen Lieblingswort „Kontinuität“ lautete. Auf Latein, in der immer gleichen Sprache der römischen Kirche und deshalb nur noch von wenigen verstanden, verkündete Benedikt XVI. historisch Unerhörtes: den Rücktritt des Papstes. Seinen Rücktritt.

Dieser machte den Weg frei für ein Konklave, das an sich schon revolutionär war, weil in ihm der jahrelang aufgestaute Unmut der Kardinäle, der Weltkirche, über die „Zentrale in Rom“ durchbrach. Es musste etwas geschehen; es würde etwas geschehen, und zu diesem Zweck holten die Kardinäle einen von ganz weit außen, einen Sperrigen, dem der Kurienbetrieb suspekt war. Dieser Jorge Mario Bergoglio, Erzbischof von Buenos Aires, hatte bereits bei Reformdebatten der Kardinalsvollversammlung vor der Papstwahl viel frischen Wind verbreitet.

Dann griff der erste Jesuit auf dem Papstthron gleich zu einem Namen, den sich noch keiner seiner Vorgänger gegeben hatte: Franziskus. Schließlich trat er auf die Loggia des Petersdoms nur in weißer Kutte. Das ihm zurechtgelegte Goldkreuz und der rote, hermelinbesetzte Schulterumhang – so setzte es der von Anfang an sehr entschieden auftretende Neue gegen seinen enttäuschten Zeremonienmeister durch – blieben im Fundus.

Zwei Wochen danach, am Gründonnerstag, verlegte Franziskus einen der Hauptgottesdienste des Kirchenjahres aus dem Petersdom in eine Jugendstrafanstalt. Und er wusch nicht Klerikern die Füße, sondern Häftlingen. Dann ging es Schlag auf Schlag: Franziskus umging systematisch die Kurie, indem er zu deren Generalreform einen Kardinalsrat aus aller Welt zusammenholte und – in seinem Regierungszentrum im Vatikanhotel „Zur heiligen Martha“ – praktisch alle Entscheidungen an sich zog. Um Zustand und Zukunft der Vatikanbank zu prüfen, setzte er ebenso eine Grundsatzkommission ein wie zur kirchlichen Geld- und Gutsverwaltung.

Alles steht seither auf dem Prüfstand, und so mancher im Vatikan nennt es „Psychostress“: Keiner weiß, was Franziskus morgen ausheckt. „Evangelii Gaudium“ war nur als „Schreiben im Nachgang zur Bischofssynode 2012“ angekündigt. Dass es eine wuchtige programmatische „Enzyklika“ geworden ist, sahen alle erst im Moment der Veröffentlichung. Und da steht alles drin: die Ablehnung einer Kirche, die sich nur mit sich selbst beschäftigt, das Bekenntnis zu einer „pastoralen Umkehr von Papsttum und zentralen Kirchenstrukturen“, die Fundamentalkritik am Kapitalismus: „Diese Wirtschaft tötet.“

Der (bisher) letzte Tabubruch im Vatikan bestand darin, dass die Bischofssynode zur Vorbereitung ihrer 2014 geplanten Tagung zu Ehe und Sexualmoral einen „Fragebogen“ in alle Welt schickte und den Bischöfen einschärfte, sie sollten nicht im Kämmerlein antworten, wie es um Lehre und Leben stehe. Sie sollten vielmehr die Gläubigen reden lassen: „die Basis“, wie der Generalsekretär der Bischofssynode sagte. Dieses Wort hat man im Vatikan vorher nie gehört.

Weitere Infos:www.diepresse.com/vatikan

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Leitartikel

Franziskus, der Zucht- und Exerzitienmeister seiner Kirche

Der Papst wird in Rom, und nicht nur dort, ungebrochen umjubelt. Dabei ist das, wofür er steht, nicht gerade bequem.
Rom Vatikan 18 12 2013 Papst Franziskus I bei der woechentlichen Generalaudienz auf dem Petersplat
Religion

Franziskus, niemals allein

Jenseits aller scheinbaren Spontaneität weiß dieser Papst aus Argentinien sehr genau, was er macht. Und Franziskus weiß ebenso genau, wohin er will.
Franz von Assisi
Religion

Heiliger Franz als Schirmherr

Weihnachten im Vatikan: Papst Franziskus erweist seinem Namenspatron, dem heiligen Franz von Assisi, seine Reverenz.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.