Dublin: Inspiration und Illumination

(c) Love Temple Bar (www.templebartrad.com)
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Trotz krisenanfälliger Wirtschaft zelebriert Dublin sein reiches kulturelles Erbe. Vergangenheitsverliebt in Musik, Literatur und Braukunst.

Schon an der Tür hat man das Gefühl, in die Vergangenheit einzutreten. Malerei und Stuck wirken ehrfurchtgebietend abgeschabt. Ein alter Flügel, hölzerne Sideboards und zahllose Bücher mit speckigem Ledereinband zeugen von einst hochvermögenden Bewohnern. Sogar ein Schatzkanzler wohnte in der Henrietta Street. Und doch glaubt man, den Geruch von Armut zu erkennen. „Eines unserer Ziele ist, das Vergehen der Zeit sichtbar zu machen“, sagt Ian Lumley, Besitzer des Hauses Nummer 14. Um 1748 im georgianischen Stil erbaut, zeugt es von erheblichen sozialen Verwerfungen. Etwa dem Dublin Lockout, als 1913 Arbeiter von ihren Fabriken ausgesperrt wurden, weil sie sich in Gewerkschaften organisiert hatten.

Bis zu 17 Familien pro Zimmer beherbergte das Haus, die einzige Toilette befand sich am Ende der Straße. „Es ist seit 1913 unverändert geblieben“, sagt Lumley. Als „Heritage Officer“ bei An Taisce, einer Organisation, die sich um den Erhalt schützenswerter Objekte kümmert, leistet er es sich auch privat, ein Bauwerk vor der Gentrifikation zu bewahren, und vermietet es für Anlässe. Ausschließlich mit Kerzen beleuchtet, fühlt sich darin so mancher wie in einem Roman von Bram Stoker. Andere träumen im fahlen Licht von den düsteren Sprachbildern eines William Butler Yeats. Solch stimmungsvolle Endzeitatmosphäre ist gewiss rares, schützenswertes Gut.

Dublin hat schon viele düstere Szenarien überlebt und kann es sich leisten, vergangenheitsverliebt zu sein. Besonders, wenn es um seine Künstler geht. Schilder locken zum Dublin Literary Pub Crawl. Auf den Spuren von immerhin vier Dubliner Literaturnobelpreisträgern ins Guinness zu weinen, ja, das kann ein Abenteuer sein. Vor allem, wenn ein Führer wie Com Quilligan die Intoxikation mit dem Spirit von Sprachkünstlern wie Joyce, Beckett, Yeats, Behan und O’Brien adelt. Es mag viele Ursachen für die Entstehung der prosperierenden Pub-Kultur Dublins geben, eine war sicherlich, dass man den Musikern Spielmöglichkeiten geben musste. „Vergebens klopft, wer ohne Wein ist, an der Musen Pforte an“, erkannte Plato. Gewiss kein Ire, sonst hätte er statt des Weines das Guinness oder den milden Jameson Whiskey als Ebner zur künstlerischen Inspiration erkannt.

Pub als Bühne. Irische Musiker suchen die Fühlung zu ihren Musen traditionell mit rituellen Alkoholschüttungen. An Schluckhemmung musste der 1986 an Alkoholismus verstorbene Rockmusiker Phil Lynott, einst Leader von Thin Lizzy, nie leiden. Heute hat er seinen Platz vor dem Pub und sorgt dort sogar post mortem für Aufruhr. Ein Bierkutscher fuhr seine vor dem Bruxelles Pub aufgestellte Statue nieder. Jetzt steht sie wieder. Seine Mutter Philomena warnte bei der Zeremonie tränenreich vor den Folgen des Abusus. Wohl vergeblich, in einer Stadt, in der das Pub von jeher das zweite Wohnzimmer ihrer Bewohner war.

An die 800 Pubs gibt es für die halbe Million Dubliner. Trotzdem liegen die zweifellos trinkfreudigen Iren punkto Pro-Kopf-Verbrauch nur im europäischen Mittelfeld. Die höchste Pubdichte gibt es im südlich des Flusses Liffey gelegenen Bezirk Temple Bar, dem kulturellen Herzen des modernen Dublin. Benannt nach William Temple, der 1609 Dekan des Trinity College wurde, ist es heute auch geprägt von Galerien und kleinen Geschäften. Viele Künstler wohnen in diesem charmanten Flecken. Die Rockband U2 besitzt sogar Anteile des dort dezenten Luxushotels Clarence. 

Alles Gründe, diesen Bezirk zum Schauplatz des alljährlich Ende Januar stattfindenden Tradfest zu machen. Bei über 200 Konzerten greifen Musiker zu Fidel, Tin Whistle und Uillean Pipe, dem Ellbogendudelsack. Traditionelle Weisen werden da mit aktueller Lebensfreude kurzgeschlossen. Auch an ungewöhnlichen Orten wie Wikingerkirchen. Die Verbindung von Alkohol und Musik wird offenbar als etwas durchaus Geheiligtes interpretiert. Zum Pre-Opening des TradFest in der St. Werburgh’s Church werden Bierfässer gerollt und eine Zapfanlage im Hauptgang aufgestellt.

Die Besucher sind schon fidel, als die 46-jährige Liedermacherin Eleanor McEvoy zur Eröffnung den 6/8-Takt, den essenziellen irischen Rhythmus, auf einem Streichholzschächtelchen trommelt. Dann hebt sie mit dunklem Timbre zu so eindringlichen Liedern wie „Did I Hurt You?“ an. Schmerzen hatten die Iren, die sich gerade aus dem Euro-Rettungsschirm verabschiedet haben, immer wieder. In Zeiten ökonomischer Not wird die traditionelle Musik zum Schmiermittel, das vor sozialer Erosion bewahrt. Das hat sich schon bei der großen Hungersnot im 18. Jahrhundert bewährt, als irische Volksmusik zum Ventil für Kummer und Sorgen wurde.

Ergiebige Musiktour.
Mittlerweile schimmert das Abendlicht durch die lila Kirchenfenster. Die vitalen Klänge weiterer Bands wie Altan und Stockton’s Wing, aber auch die geistigen Getränke erzeugen eine angenehme Illumination. Dann wird es finster. Am nächsten Tag sorgt Patt Liddy, seines Zeichens wortgewaltiger Guide der Musical Heritage Tour, für weitere Vertiefung bezüglich der Verschränkung von Lied und Rausch.

Erste Station ist das O’Donoghue’s Pub, jener heilige Ort, an dem sich die legendäre Band The Dubliners gründete, die neben den Chieftains weltweit bekannteste irische Folkband. Nach ein paar Musikalienhandlungen geht es weiter ins famose Little Museum, eine Art begehbaren Reliquienschrein, der vor zwei Jahren von Trinity-Studenten begründet wurde. Zu sehen sind unter anderem Ausweise von Brendan Behan, ein Zylinder von Bram Stoker, alte Fotos von irischen Institutionen wie Bertie Ahern und Bono. Gustostückerl: ein Exemplar des „Noveau“, eines Hochglanzmagazins für Neureiche. Man ahnt es schon: Es blieb bei dieser ersten und einzigen Ausgabe. 

Tipp

Temple Bar TradFest: 22. bis 26. Jänner 2014, www.templebartrad.com
Limitierte Anzahl von Gratiskonzerttickets nur für Ausländer zu bestellen bei: http://discovertemplebar.tickets.ie
TradFest-Package von Blaguss: 22.-26. 1. ab 539 Euro p. P. im DZ, www.blaguss.com

Information:Tourism Ireland – Representation Austria, Argentinierstr. 2/4, 1040 Wien, T 01/581 89 22 70, www.ireland.com, auf der Ferien Messe Wien: Halle A/Stand A0826

Hoteltipps:Hotel Clarence: schönes Viersternehotel mit Blick auf den Liffey, in Teilbesitz von U2, www.theclarence.ie
Russell Court Hotel: Schönes Viersternehotel in einem georgianischen Bauwerk, www.russellcourthotel.ie

Essen im Temple-Bar-Bezirk:Cleaver East (im Clarence): gehobene europäische Küche, www.cleavereast.ie
Oliver St. John Gogarty´s Pub: irische Spezialitäten, auch das famose Guinnessbrot wird hier gereicht, www.gogartys.ie
Eden Bar & Grill: feine Brasserie im Belle-Époque-Stil, www.edenrestaurant.ie

Flüge: Aer Lingus: vier Direktflüge pro Woche Wien–Dublin, target="_blank">www.aerlingus.com Der Autor wurde für diese Reise von Tourism Ireland unterstützt.

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