Kreuzfahrt: Rock ’n’ Cruise

(c) Wikipedia
  • Drucken

Der Kreuzfahrtbranche geht allmählich die Welt aus, daher holt sie diese an Bord, sogar Rockstars. Modern sind zudem kleinere Schiffe, Home und Slow Cruising.

„Schlagerstar Patrick Lindner feiert Bühnenjubiläum auf der Costa Pacifica“, hieß es jüngst in einer Meldung der italienischen Familiencruiser mit den gelben Schornsteinen. Dass man sich den Barden mit der deutschen Reederei Deilmann teilen muss, ist da nur ein kleiner Schönheitsfehler, denn mit dem Promi-Bonus liegt Costa voll im Trend. Den hatte das jüngste der großen Kreuzfahrtunternehmen entdeckt: TUI Cruises brachte mit Udo Lindenberg den voll besetzten „Rockliner“ auf den Weg. Dass auch Peter Maffay ein ausgebuchtes Schiff garantiert, davon war die britische Cunard Line nicht leicht zu überzeugen. „Who the hell is Maffay?“, wollte man in London wissen. Das Hamburger Büro garantierte volle Belegung und behielt recht. Während den Fans an Bord der strenge britische Kleiderkodex erlassen wird, bringen Hafenbarkassen im Stundentakt Schaulustige heran. Als das Riesenschiff in der Elbe umdreht, dröhnt von einem der Boote Maffays Hit „Carambolage“ herauf. Wie passend.

Dass Entertainment an Bord so großgeschrieben wird wie noch nie, ist nur eine Randerscheinung eines größeren Trends: des Home Cruising. Briten taten schon immer, was sich in Österreich auf Donautouren beschränkt: Sie starten rund ums Jahr von Häfen im eigenen Land zur Kreuzfahrt und sind damit bislang die buchungsstärkste Nation in Europa. Deutsche Kreuzfahrten hingegen sind kürzer, deutsche Häfen noch weiter von Sonnenzielen entfernt als Dover oder Southampton. Daher wirbt die Atlantic Alliance, ein Marketing-Verbund der Häfen zwischen Hamburg und Lissabon, für verstärktes Kreuzen zu den Metropolen Westeuropas.

Kussmund auf See.
Offene Ohren findet sie bislang nur bei Aida, denn Destinations-Marketing ist so ziemlich das Teuerste, was es gibt. Das Budget, das man benötigt, um ein neues Fahrtgebiet populär zu machen, würde für den Marketing-Etat reichen, den ein Dutzend neue Schiffe verschlingen. Die neuen Kussmaul-Cruiser, die nächstes Jahr in See stechen, werden „Indoor-Schiffe“ sein: Bade-, Spiel- und Kinderlandschaften an Deck verstecken sich unter einer UV-durchlässigen Riesenplane. Mehr Gastronomie und eine gigantische Bespaßungsmaschinerie bringen Abwechslung an den Schnee- und Regentagen, die bei ganzjährigen Wochentörns von Hamburg nach Amsterdam und Antwerpen, Southampton und Le Havre unvermeidlich sind. Alles das berücksichtigt die Interessen österreichischer Reisender wenig; selbst wer nicht gleich die Donau vor der Tür hat und seine Anreise von Salzburg oder Graz berechnet, findet Hamburg und Kiel weniger attraktiv als Genua oder Venedig. Und das, obwohl mit Michael Ungerer ein Österreicher die Geschicke von Aida Cruises steuert und mit Karl Pojer bei der Nobel-Reederei Hapag-Lloyd seit 2013 ein Manager der geografischen „A-Klasse“ am Ruder sitzt.

Polarlichttouren.
Kleinere Veranstalter setzen die Idee möglichst vieler Kurzreisen ab deutschen Häfen anders um und denken sich für die „Saisonschulter“ Frühjahr und Herbst neue Touren aus. Ambiente Kreuzfahrten etwa wagt sich mit seinem neuen Schiff MS Azores gleich im März zu einer Polarlichtreise nach Nordnorwegen. Plantours geht etwas vorsichtiger zu Werk und sendet seine MS Hamburg auf Heimathäfenreise nach Sylt und Helgoland. Auch da ist Landgangswetter nicht garantiert, und rührende Kapitänsgeschichten aus den Büchern des Partnerverlages Ankerherz allein sind nur für echte Fans ein Lichtblick in der sturmgepeitschten Nordsee.

Alle diese Bemühungen zeigen: Der Kreuzfahrt geht allmählich die Welt aus. Deswegen muss das Bordprogramm attraktiver werden, deswegen sind aber auch kleinere Schiffe mehr en vogue als je zuvor. Über ein solches hat ORF 3 im vergangenen Herbst berichtet (zur Nachschau auf www.besserreisen.tv/Archiv/Mittelmeerkreuzfahrt): die FTi Berlin. Sie ist eines der letzten Schiffe, das noch das Nadelöhr Korinth-Kanal passieren kann. Sie wird von Alexander Gessl, ebenfalls einem Österreicher, gemanagt. Wem es gelingt, neue, attraktive Ziele ausfindig zu machen, ist der King der Kreuzfahrt. Zumal die Veranstalter von einem Ärgernis die Nase voll haben: Ägypten. Sphinx und Pyramiden sind out. Die vielen Umroutungen haben dazu geführt, dass das Land aus den Fahrplänen weitgehend verschwunden ist.

Stylische Luxusschiffe.
Das Gigantenwachstum ist einstweilen eingestellt. Der Fokus der großen Veranstalter richtet sich auf die Frage, was sich mit den Riesenschiffen alles anstellen lässt. Die kleinen hingegen halten Ausschau: Wo ist die Nische? Seit die „Jachten“ von Seabourn und Silversea plötzlich größer sind als Kreuzfahrt-Klassiker wie die Astor oder die Deutschland, hat Ponant Yachtkreuzfahrten bei stylischen Luxusschiffen unter 300 Passagieren eine Marktlücke entdeckt, achtlos zurückgelassen von den bisherigen Nutzern. Aida hingegen hat das frühere Unwort Kreuzfahrt rehabilitiert und will stattdessen von Klubschiffen nichts mehr hören. Branchenkenner warten darauf, dass den Robinsons und Aldianas dieser Welt die Lücke auffällt.

Wachsendes Massengeschäft mit kleiner werdenden Gewinnen vermag die kleinsten der Branche nicht zu begeistern: die Reisebüros. Bei Schnäppchenreisen für 499 Euro bleibt kaum noch etwas übrig für die Kasse  jener, die noch immer vielen unerfahrenen Reisenden das Tor zur Kreuzfahrtwelt öffnen. Vorbei die Zeiten, in denen mit Beratung und dem Verkauf einer Kreuzfahrt der Gewinn für die nächsten drei Tage einzufahren war,  wobei gute Büros von ihrer Provision einen Teil reinvestierten, um für den Kunden via Satellitentelefon Golfabschlagszeiten in der Südsee oder Opernkarten in Sydney zu buchen. Besonders ärgerlich: Der Kunde gibt in Summe deutlich mehr aus als nur den Reisepreis. Richtig verdient wird auf den Megalinern nämlich erst an Bord: mit Restaurants, Bungee-Jumping an Deck, Bowling-Bahnen, Billard-Partien, Eislaufbahn oder gar der Besichtigung der Kommandobrücke für sagenhafte 160 Euro. Von all diesen Umsätzen hat das Reisebüro nichts.

Der Trend heißt daher, den Umsatz zu erhöhen. Größere Veranstalter kaufen schlecht gebuchte Kontingente günstig ein oder chartern ganze Schiffe. Andere zeigen ihre Kompetenz durch eigene Kundenmagazine zur Seetouristik, einige davon kaum schlechter gemacht als die etablierten Hefte „An Bord“ oder „Azur“. „Schöner reisen“ etwa wird von der Kreuzfahrt-Initiative, einem Verbund von Großreisebüros, kostenlos verteilt.

Nicht nur beim Kunstgriff, mit Promi-Programmen Schiffe zu füllen, hat Costa Crociere derzeit die Nase vorn. Ab 2014 steht auf zwölf Costa-Schiffen das Kinderunterhaltungsprogramm New Costa Adventures bereit. Für die Großen besinnt sich das Unternehmen italienischen Chics. Mit der Costa Neo-Romantica und der Neo-Riviera knüpfen schon zwei nicht zu große, echte Ladys unter den Kreuzfahrtschiffen an jene Zeiten an, als die echten Schönheiten unter den Atlantik-Linern aus Italien kamen. Bella Italia statt des Ami-Rummelplatzes. Zudem wird der italienische Slow-Food-Gedanke aufgegriffen. Slow Cruising ist die neueste Costa-Devise: kleinere Schiffe, selten angelaufene Häfen, längere Touren und Liegezeiten in den Häfen, Übernachtungsoptionen an Land und landestypische Kulinarik.

Als erstes großes Kreuzfahrtunternehmen wagte Costa eine Weltreise – ausgebucht. Im Jänner wiederholt sich das 100-tägige Spektakel in 38 Häfen. Nicht dabei: China. Dabei kommt Costa hier eine Pionierrolle zu: Gelbe Rauchfänge für Chinesen – mit ihren China-Kreuzfahrten sind die Costa-Schiffe bisher allein auf unbekanntem Terrain, bisher eher abwartend beäugt von Mitbewerbern, die ebenfalls neue Märkte erschließen möchten. Nicht selten hat Costa vor allen anderen gewusst, wo die Reise hingeht. 

Slow Cruising. Die neue Neo-Collection von Costa Crociere lädt dazu ein, den Urlaub an Bord entspannter denn je zu genießen: auf den zwei kleineren, für weniger, aber exklusivere Gäste quasi rückgebauten Schiffen Neo-Riviera und Neo-Romantica auf flexiblen Routen zu abgelegenen Destinationen touren, mehr Zeit, etwa einen ganzen Tag oder eine Nacht in den Häfen zu verbringen, an Land übernachten und landestypische Slow-Food-Kulinarik genießen. Home Cruising im Rahmen der Neo-Collection findet, logisch, rund um Italien statt (z. B elf Tage ab/bis Savona ab 999 Euro), rund um Afrika von Dubai nach Savona geht es in 61 Tagen ab 4999, die Reise kann auch in Etappen absolviert werden. costakreuzfahrten.at/neocollection; Ferienmesse: Halle A/Stand A0307.

Kreuzfahrtspezialisten auf der Ferienmesse: Nicht weniger als 13 Reedereien sind in der Halle A der Ferien-Messe Wien zu finden. Fundierte Beratung und einen Überblick erhält man bei Ruefa Seetour Austria, Stand A00115. ruefa.at/onlinebuchen/kreuzfahrten. Die Verkehrsbüro-Tochter vertritt auch die Postschifflinie Hurtigruten, bietet 17 Reedereien und mehr als 140 Schiffe in drei Katalogen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Reise

Dublin: Inspiration und Illumination

Trotz krisenanfälliger Wirtschaft zelebriert Dublin sein reiches kulturelles Erbe. Vergangenheitsverliebt in Musik, Literatur und Braukunst.
Reise

Toskana: Im Land der Medici

Die Toskana kann man nicht oft genug bereisen. Zum Beispiel, um Villen der Florentiner Stadtherren zu besuchen.
Reise

Korsika: Ferien im Freien

Steilküste, Sandstrände, Badeflüsse: Eltern mögen im Urlaub vielleicht anderes als Kinder, doch Korsika deckt alle Bedürfnisse.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.