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Schallenberg reist in den Irak

Schallenberg besucht ein Land, das seit über hundert Jahren praktisch nicht zur Ruhe kommt.
Schallenberg besucht ein Land, das seit über hundert Jahren praktisch nicht zur Ruhe kommt.Clemens Fabry
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Außenminister Alexander Schallenberg ist von Montag bis Mittwoch im Irak zu Gast. Er fliegt über Doha - in Bagdad ankommen wird er erst gegen 21.00 Uhr.

Außenminister Alexander Schallenberg besucht von Montag bis Mittwoch den Irak. In Bagdad sind Treffen mit Staatspräsident Abdul Latif Rashid, Premier Mohammed Shia‘ al-Sudani und Außenminister Fuad Hussein geplant. Zudem wird die österreichische Botschaft Bagdad feierlich wiedereröffnet. „Es ist wichtig, dass wir Präsenz zeigen“, erklärte Schallenberg im Vorfeld. Schallenberg ist seit Vormittag unterwegs - nach einem Zwischenstopp in Doha wird er in Bagdag gegen 21.00 Uhr eintreffen.

Für Schallenberg stehen am Dienstag Treffen mit Staatspräsident Abdul Latif Rashid, Premier Mohammed Shia‘ al-Sudani und Außenminister Fuad Hussein am Programm. Zudem wird die österreichische Botschaft Bagdad feierlich wiedereröffnet. Österreich war zuletzt bis 1991 mit einer Botschaft im Irak vertreten. Die Entscheidung, in Bagdad wieder vor Ort präsent zu sein, spiegle die gesteigerte Bedeutung des Irak für Österreich und Europa wider, hieß es aus dem Außenministerium (BMEIA).

Schlussendlich werde die Wiedereinrichtung einer Botschaft zudem dazu beitragen, das Handels- und Investitionspotenzial zwischen Österreich und dem Irak zu heben, wurde betont. Die Handelsbeziehungen mit Österreich sind laut Wirtschaftskammer (WKO) zuletzt gewachsen. Die österreichischen Exporte in den Irak beliefen sich 2022 auf Euro 94,5 Mio. und stiegen damit im Vergleich zum Vorjahr um 25,4 Prozent. Die wichtigste Warengruppe bei den österreichischen Exportwaren seien dabei mechanische Geräte im Wert von Euro 14,5 Mio. Euro gewesen, was einem Plus von 90,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspreche.

Wirtschaftsforum in autonomer Kurdenregion

Chancen für österreichische Firmen bestehen der WKO zufolge unter Berücksichtigung der Sicherheitslage vor allem in den Bereichen Infrastruktur, Energiewirtschaft, Landwirtschaft (Bewässerung), Bauwirtschaft (Wohnungsbau) sowie im Gesundheitssektor. Möglichkeiten bieten sich auch in den Sparten Konsumgüter (Lebensmittel und Getränke) und pharmazeutische Waren.

Am Mittwoch ist in Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan, ein bilaterales Wirtschaftsforum geplant. Der Mineralölkonzern OMV ist seit 2007 in der Region tätig, und zwar in den Explorationsblöcken Bina Bawi, Shorish und Mala Omar sowie durch eine Beteiligung an der Pearl Petroleum Company Limited (PPCLD). Auch die Fluglinien Austrian (AUA) ist vor Ort präsent und bietet Direktflüge zwischen Wien und Erbil an.

Ein Land, das nicht zur Ruhe kommt

Mit dem Irak besucht Schallenberg ein Land, das praktisch nicht zur Ruhe kommt. Die Geschichte des modernen Iraks beginnt 1920, als Großbritannien die ehemaligen osmanischen Provinzen Bagdad, Mossul und Basra vereint. Das Königreich Irak bestand schließlich von 1921 bis 1958, ehe der König durch einen Militärputsch gestürzt und die Republik ausgerufen wurde. 1979 kam Diktator Saddam Hussein an die Macht und führte Kriege gegen die Nachbarstaaten Iran und Kuwait, 2003 wurde er von einer multinationalen Invasionstruppe unter Führung der USA gestürzt.

Die vom damaligen US-Außenminister Colin Powell vorgeschobene Behauptung, Saddam Hussein besitze Massenvernichtungswaffen, konnte allerdings nie bewiesen werden. War der Einmarsch in das Zweistromland ursprünglich noch als Kampf gegen den Terror nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA gedacht, wurde er in der Folge jedoch zu einem Brandbeschleuniger für Terrorismus.

Während der Besetzung des Iraks von 2003 bis 2011 kam es zu tausenden Terroranschlägen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen, die vor allem unter den irakischen Zivilisten eine unbekannte Anzahl an Todesopfern und Verletzten forderte. Rund 1,5 Millionen irakische Christen verließen seit 2003 das Land.

Der Irak-Krieg wirft einen langen Schatten

Zwar war die Hälfte der heutigen irakischen Bevölkerung noch gar nicht auf der Welt, als der Irak-Krieg vor 20 Jahren begann, die Folgen des US-Einmarsches prägen das Land aber bis heute. Jahrzehntelang war der Irak von der säkularen Baath-Partei regiert worden. Nach dem Sturz des Sunniten Saddam Hussein übernahmen die Schiiten, die ungefähr 60 Prozent der Bevölkerung stellen, die Schaltstellen der Macht. Für viele zuvor privilegierte Sunniten, die im 19. Jahrhundert noch die Mehrheit im Land gestellt und auf die sich auch die Briten gestützt hatten, waren die Umbrüche frustrierend.

Nutznießer des Sturzes von Saddam Hussein war vor allem der Erzfeind der Vereinigten Staaten von Amerika, die Islamische Republik Iran, die mit Hilfe von schiitischen Milizen großen Einfluss im Irak gewann. Diese Milizen standen auch im Verdacht, Stellungen der US-geführten Koalition anzugreifen, die sie aus dem Land drängen wollte.

Als großer Fehler der amerikanischen Besatzungstruppen erwies sich die Auflösung der irakischen Armee. Viele Sunniten, die früher in Saddams Armee gedient hatten, fühlten sich gedemütigt und schlossen sich dem Terrornetzwerk „Islamischer Staat“ (IS) an, das ab 2014 große Teile des Landes unter seine Kontrolle gebracht hatte. Die amerikanischen Truppen, die 2011 zunächst aus dem Irak abgezogen waren, kehrten schließlich 2014 wieder zurück, um die örtlichen Sicherheitskräfte im Kampf gegen den IS zu unterstützen.

Im Dezember 2017 verkündete die irakische Regierung, dass die neu gegründeten irakischen Streitkräfte wieder die vollständige Kontrolle über die syrisch-irakische Grenze übernommen hätten und der Krieg gegen den IS beendet sei. Nun sahen jedoch die Kurden im Norden des Landes, die seit der Niederlage Saddam Husseins im Zweiten Golfkrieg 1991 aufgrund einer Flugverbotszone für die irakische Luftwaffe relativ unabhängig agieren konnten, eine Möglichkeit, eine Volksabstimmung über ihre Unabhängigkeit abhalten zu können.

Bei weitem keine funktionierende Demokratie

Doch die irakische Zentralregierung entsandte die Armee und mit ihr verbündete Milizen. Die Autonome Region Kurdistan, die im Kampf gegen den IS weitere kurdisch geprägte Gebiete erobert hatte, wurde wieder faktisch auf den Gebietsstand von vor 2003 zurückgedrängt. Mangels internationaler Unterstützung und um weiteres Blutgießen zu vermeiden legten die Kurden ihre Unabhängigkeitsbestrebungen in der Folge vorerst auf Eis.

Während die Lage in der Autonomen Region Kurdistan, die Außenminister Schallenberg am Mittwoch besuchen wird, als relativ stabil gilt, ist der Irak generell weit davon entfernt, ein gefestigter Staat oder gar eine funktionierende Demokratie zu sein. Wahlen im Land ändern an den realen Machtverhältnissen nur wenig, Korruption und Misswirtschaft sorgen für Frustration. Obwohl der Irak zu den ölreichsten Ländern der Welt gehört, fällt ständig der Strom aus. Immer wieder kommt es zu Massenprotesten gegen die Führung und ihre Klientelpolitik. Wohl auch deshalb stellen Iraker eine große Gruppe unter den Schutzsuchenden, die in Europa Asyl beantragen. (APA)

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