Lesben erhalten Recht auf Samenspende

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Das Höchstgericht entscheidet zugunsten lesbischer Paare. Das Urteil könnte auch Erleichterungen für heterosexuelle Paare bringen.

Wien. Kann man mit dem Argument des „Schutzes der Familie“ lesbischen Paaren das Recht auf Samenspende vorenthalten? Nein, urteilt nun der Verfassungsgerichtshof (VfGH). Denn „gleichgeschlechtliche Partnerschaften stehen gesellschaftlich gesehen nicht in einem Substitutionsverhältnis zu Ehen und verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, sondern treten zu diesen hinzu; sie vermögen diese daher auch nicht zu gefährden.“ Der VfGH hob daher, wie Präsident Gerhart Holzinger am Freitag bekannt gab, zentrale Punkte des Fortpflanzungsmedizingesetzes auf. Doch welche Folgen hat das VfGH-Erkenntnis im Detail?

1. Warum war das lesbische Paar vor Gericht erfolgreich und welche Rechte erhält es nun?

Während heterosexuellen Paaren die künstliche Fortpflanzung offensteht, war sie gleichgeschlechtlichen Paaren bisher verboten. Für diese Unterscheidung gebe es „keine überzeugenden oder schwerwiegenden Gründe“, sagt der VfGH. Nur dann aber – so fordert es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte – wäre eine Benachteiligung zulässig.

Erlaubt sein muss nach dem Urteil jedenfalls das künstliche Einbringen von Samen in die Geschlechtsorgane einer lesbischen Frau. Dieser Vorgang werfe anders als bei der Befruchtung von Eizellen im Labor oder bei der Eizellenspende auch „keine besonderen ethischen oder moralischen Fragen“ auf, betonen die Höchstrichter. Die künstliche Fortpflanzung müsse allen lesbischen Lebensgemeinschaften offenstehen, eine Eingetragene Partnerschaft ist nicht nötig. So wie auch bei heterosexuellen Paaren keine Ehe gefordert ist.

2. Dürfen also nun alle lesbischen Paare ab sofort die künstliche Befruchtung nutzen?

Nein. Der VfGH setzte der Politik eine Übergangsfrist bis Ende 2014. Erst bis dahin muss man eine neue Regelung finden, die dem Urteil gerecht wird. Dieses Prozedere ist allgemein bei VfGH-Entscheidungen vorgesehen, damit die Politik Zeit hat, auf Folgen einer Normaufhebung zu reagieren. Eine Ausnahme gibt es nur für die beiden Frauenpaare, die geklagt haben: Für sie gilt die Aufhebung der diskriminierenden Gesetzesstellen sofort.

3. Was passiert, wenn die Politik keine neue gesetzliche Regelung findet?

Der VfGH musste aus formalen Gründen viele Gesetzesstellen aufheben. Die Folge: Ohne Neuregelung gäbe es nun nicht nur die neuen Rechte für Lesben, sondern auch Erleichterungen für heterosexuelle Paare, erklärt gegenüber der „Presse“ Anwalt Helmut Graupner, der den aktuellen Fall zum VfGH brachte. So würde die künstliche Fortpflanzung ohne Nachweis, dass eine natürliche Schwangerschaft schwer möglich ist, möglich werden. Auch bei der In-vitro-Fertilisation (Vereinigung von Ei- und Samenzellen im Labor) fielen die strikten Regeln (nur der Samen des Partners ist momentan dafür erlaubt) weg.

Der Politik ist es aber gestattet, im Rahmen eines neuen Gesetzes wieder Beschränkungen einzuführen, solange Lesben nicht diskriminiert werden. Befürworter eines liberalen Gesetzes haben nun aber bessere Karten, da ohne Einigung auf ein neues Gesetz erst recht liberale Vorschriften gelten.

4.Wenn eine Lesbe ein Kind zur Welt bringt, darf ihre Partnerin auch Elternteil sein?

Bereits seit vergangenem Jahr ist es Homosexuellen gestattet, das Kind der Partnerin zu adoptieren. Gefordert wird von homosexuellen Paaren aber nun ein Automatismus wie bei Eheleuten: Beide Frauen sollen automatisch als Eltern gelten, wenn in einer Eingetragenen Partnerschaft eine Frau Mutter wird. Ein Samenspender hat hingegen keinerlei Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind.

5. Was bedeutet das Urteil für alleinstehende Frauen und für homosexuelle Männer?

Der VfGH betont, dass eine Leihmutterschaft, die Nachwuchs für Männerpaare brächte, etwas anderes sei als die künstliche Befruchtung einer Frau. Auch allein lebende Frauen können aus dem Urteil nichts gewinnen. Ob diese Gruppen diskriminiert sind, müsste der VfGH erst klären, wenn ein Betroffener klagt.

Die Reaktionen auf das aktuelle Urteil sind unterschiedlich: SPÖ und Grüne zeigen sich erfreut, ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter will eine „ausgewogene Lösung“ finden. Den St. Pöltner Bischof Klaus Küng erfüllt das Gerichtsurteil „mit Sorge“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2014)

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