Die Suche nach dem Vater: Kindern die Wahrheit sagen

Kinder, die ihr Leben einer Samenspende verdanken, werden oft nicht darüber aufgeklärt. Experten raten aber dazu, um Krisen zu vermeiden.

Erst kürzlich bekam das Thema Samenspende ein Gesicht: jenes der 22-jährigen Deutschen Sarah P. Die Frau erfuhr erst als Teenager, dass sie ihr Leben einer Samenspende verdankt. Sie litt darunter, ihren genetischen Vater nicht zu kennen und verklagte die Klinik, in der sie gezeugt wurde, um Angaben zu ihrem Erzeuger zu erhalten. Mit Erfolg: Anfang 2013 entschied das Oberlandesgericht in Hamm, dass das Recht eines Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung höher zu werten sei als der Schutz des Spenders. Über die Medien fand Sarah P. schließlich ihren Erzeuger. „Ich bin sehr glücklich. Und irgendwie ist es für mich auch wie ein Schlussstrich“, sagte die Frau deutschen Medien. Es sei ihr immer nur darum gegangen, zu wissen, wer er ist.

Wie es Kindern wie Sarah P. und ihren Familien geht, ist ein zentraler Diskussionspunkt beim Thema Samenspende. Bisherige, eher kleinere Studien haben ergeben, dass sich Familien, deren Kinder durch eine solche Spende entstanden sind, ebenso gut entwickeln wie jene mit natürlich gezeugtem Nachwuchs, bestätigt die deutsche Familien- und Sozialtherapeutin Petra Thorn, die 2010 die Studienlage in einem Buch zusammengefasst hat.

Noch gilt das aber mit Einschränkungen. „Da das Thema bisher tabuisiert wurde und die meisten Eltern die Wahrheit vor den Kindern verschwiegen, war es schwierig, Studienteilnehmer zu finden“, sagt die Expertin. Derzeit breche das Tabu aber auf, repräsentative Studien seien zu erwarten.

Doch bisher kann laut Thorn nicht ausgeschlossen werden, dass eher Betroffene befragt wurden, die offener mit dem Thema umgehen und keine Probleme verspüren. Ob sich die Ergebnisse auch auf die private Samenspende übertragen lassen, sei zusätzlich fraglich.

Schon jetzt deuteten erste Erkenntnisse darauf hin, dass Kindern möglichst früh die Wahrheit gesagt werden soll, betont Thorn, die Familien vor und nach einer Samenspende berät. Der Trend gehe auch klar in diese Richtung. Familiengeheimnisse belasteten die familiäre Kommunikation. Kinder, die es spät erfahren, reagierten darauf vielfach mit Identitätskrisen und Vertrauensverlust.


Spenderdaten werden aufbewahrt. Bei Peter Kemeter hat sich bis jetzt nur einmal ein Kind gemeldet, das Auskunft über seinen Spender haben wollte. Der Wiener Reproduktionsmediziner glaubt auch, dass Eltern es vielfach verschweigen, oder aber, dass Kinder kein Interesse am genetischen Vater hätten. Kemeter ist in der Klinik Wunschbaby-Institut Feichtinger für die Samenspenden zuständig. Heuer wurden dort laut seinen Angaben 31 Inseminationen mit gespendeten Samen durchgeführt, in ganz Österreich nach seiner Schätzung 350 im Jahr. Dabei hätten Kinder in Österreich, anders als in Deutschland, bereits seit 1992 das Recht, mit 14 Jahren Namen und Wohnort des Spenders zu erfahren. Daten des Spenders müssen ohne Frist aufbewahrt werden. In Deutschland gilt erst seit 2007 eine 30-jährige Aufbewahrungsfrist.

Studien zeigen aber, dass Kinder, die aufgeklärt wurden, sehr wohl wissen wollten, wer der Erzeuger sei, einen Ersatzvater würden sie aber nicht suchen, sagt Thorn: Und noch neugieriger seien sie, ob es Halbgeschwister gibt. Und wer diese sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2013)

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