Semmeringtunnel: Bau gestoppt

Semmeringtunnel, Bau
Semmeringtunnel, Bau(c) APA (ROBERT JAEGER)
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Der Verwaltungsgerichtshof hob die Bewilligung für den Bau des Semmering-Basistunnels auf. Jetzt geht es ans Reparieren der Fehler im Bescheid.

Wien. Fast zwei Jahre nach dem Spatenstich stoppte nun der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) den Bau des Semmering-Basistunnels. Er hob die umweltrechtliche Bewilligung auf. Die Umweltorganisation Alliance for Nature und Anrainer hatten dagegen Beschwerde erhoben und bekamen damit zumindest teilweise recht.

Alliance for Nature stellte unter anderem die fachliche Qualifikation eines der beigezogenen Sachverständigen infrage. Das bestätigt das Höchstgericht: In den Akten finde sich kein Hinweis, dass der Mann für die Erstattung von Gutachten der erforderlichen Art beeidet sei. Auch das Lärmproblem wurde laut VwGH unzureichend geprüft. Denn erstens müsse nicht nur der Geräuschpegel beim Betrieb, sondern auch schon der Baulärm bei der Errichtung berücksichtigt werden. Zweitens habe man für die Beurteilung der Lärmbelastung den falschen Ort gewählt – vor den Fenstern des Wohngebäudes und nicht näher an der Grundstücksgrenze, wo sich angeblich die Kinder der Anrainer oft aufhielten. Und drittens habe man die bestehende Lärmbelastung lediglich berechnet und nicht durch Messungen festgestellt.

Bemängelt wird außerdem, dass sich die Behörde nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob im Landwirtschaftsbetrieb von Anrainern, wie behauptet, durch das Projekt ein Ertragsverlust droht.

Es wird weitergebaut

Ebenfalls erfolgreich waren Einwände gegen eine Deponie zur Lagerung des Aushubmaterials: Die im eisenbahnrechtlichen Verfahren erteilte Genehmigung wurde aufgehoben, weil dafür ein gesondertes abfallrechtliches Verfahren nötig sei.

Die ÖBB halten trotz des Rückschlags am Projekt fest: Das VwGH-Erkenntnis sei „kein grundsätzliches Hinterfragen“, sagt ÖBB-Sprecher Michael Braun. Die Arbeiten am Tunnel müssen zwar unterbrochen werden, begleitende Maßnahmen – wie der Hochwasserschutz für Gloggnitz und der Einbau von Aufzügen am dortigen Bahnhof – werden aber fortgeführt. Man hoffe, den Kosten- und Terminplan trotz der nötigen Nachbesserungen einhalten zu können. Veranschlagt sind 3,1 Milliarden Euro, die Fertigstellung ist für 2024 geplant. Auch Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) will am Zeitplan festhalten. Man werde die Auflagen, die sich aus dem Urteil ergeben, zügig umsetzen, ließ die Ministerin in einer Aussendung verlauten.

Teure Hausaufgaben

Die Hausaufgaben, die nun anstehen, sind vor allem formaljuristischer Natur – und werden laut einem Insider Millionen kosten. Scheitern wird das Projekt daran kaum, denn die meisten grundsätzlichen Einwände schmetterte der VwGH ab. Etwa, dass der Bau nicht im öffentlichen Interesse liege, der Schutz des Grund- und Bergwassers nicht dem Stand der Technik entspreche oder die Bewilligung den Denkmalschutz verletze.

Jetzt ist wieder das Verkehrsministerium am Zug, es muss einen neuen Bescheid erlassen. Werden dagegen wieder Rechtsmittel erhoben, wird sich damit – als weitere Instanz – das neue Bundesverwaltungsgericht befassen müssen. Wie lange das dauern wird, ist nicht absehbar. Zusätzlich könnte es zu einer Flut von Wiederaufnahmeanträgen kommen – etwa von Personen, die für das Projekt enteignet wurden. Denn den Enteignungsbescheiden – die zum Teil schon rechtskräftig sind – fehlt durch die Aufhebung der Bewilligung die Grundlage. Ähnliches könnte für zahlreiche in Niederösterreich und der Steiermark erlassene naturschutz-, wasser-, forst- und abfallwirtschaftsrechtliche Bescheide gelten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2014)

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