Die Atomgespräche mit dem Iran sind - vorerst - positiv verlaufen. Die Stadt Wien hat als Austragungsort heikler und wichtiger internationaler Gespräche eine lange Geschichte.
Wien. So viel Lob hat die österreichische Diplomatie schon lange nicht mehr erlebt: EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und der iranische Außenminister Javad Zarif bedankten sich höflichst bei Österreich, in Washington und Moskau gab es zufriedene Reaktionen. Der Grund: In Wien fanden in den vergangenen Tagen schwierige Atomgespräche mit dem Iran statt – und nun wurde bekannt, dass man sich auf einen Fahrplan zur endgültigen Atomlösung geeinigt habe (siehe Bericht).
Für die in den vergangenen Jahren international eher passiv agierende österreichische Außenpolitik ein besonders wichtiges Lob, zumal auch die nächsten zwei Runden der Gespräche in Wien stattfinden werden. Ein wichtiger Impuls aber auch für Österreichs Hauptstadt, die seit den Siebzigerjahren dritter UN-Sitz ist (nach New York und Genf) und davon auch wirtschaftlich profitiert. „Wien wartet auf euch“, schrieb Außenamtssprecher Martin Weiss auf Twitter in Vorfreude auf die nächste Gesprächsrunde.
Den Ruf einer internationalen Stadt erwarb sich Wien schon in der Zeit des Kalten Krieges, als der Eiserne Vorhang Ost- und Westeuropa trennte und Wien nicht nur Zentrum vieler Spionageaktivitäten, sondern auch Gastgeber großer Welttreffen war, etwa zweimal zwischen den Präsidenten der USA und der Sowjetunion.
Ende der 1970er-Jahre wurde die UNO-City in Kagran errichtet, und mir ihr kamen mehrere UNO-Organisationen, darunter die Atombehörde, nach Wien. Auch die OSZE, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, siedelte sich in Wien an und hält ihre großen Treffen in der Hofburg ab. Und auch die Opec, die Organisation erdölexportierender Länder, wählte Wien als Weltzentrale, wenngleich sie 1975 ins Visier des Terroristen Carlos geriet und Ziel eines der größten Anschläge Österreichs wurde.
Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre sorgte wiederum die palästinenserfreundliche Politik des damaligen Kanzlers Bruno Kreisky dafür, dass Wien Treffpunkt vieler offizieller und inoffizieller Nahost-Treffen wurde – inklusive umstrittener Besuche von Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi und Palästinenserchef Jassir Arafat.
Hoher Werbewert
Wien bringt der Ruf als internationale Stadt mehrere Vorteile. Einerseits sind Kongresse und Tagungen finanziell wichtig. Dazu kommt die internationale Community als Wirtschaftsfaktor. Immerhin haben derzeit mehr als 17.000 Menschen in Wien diplomatischen Status – das sind Botschafter und Gesandte bei bilateralen und multilateralen Vertretungen und ihre Familien. Und schließlich haben Berichte von wichtigen politischen Wiener Treffen, die auf internationalen Fernsehstationen laufen, einen hohen Werbewert.
Dass die Atomgespräche mit dem Iran jetzt in Wien stattfinden, ist aber nicht nur dem Ruf der schönen Donaumetropole geschuldet, sondern hat politische Gründe. Denn Österreich ist seit den Achtzigerjahren in Teheran hoch angesehen. Der Grund: Während der Westen sich damals sehr restriktiv gegen die junge Islamische Republik Iran verhielt, pflegte Wien einen „kritischen Dialog“ mit Teheran. Hochrangige Iraner trafen sich in Wien – oft geheim – mit westlichen Vertretern. Oft zum Missfallen der USA.
Interessantes Detail zu den jüngsten Atomgesprächen: Offizieller Tagungsort war zwar das Austria Center in Kagran, wo auch die Journalisten ihre Briefings erhielten und die Abschlusspressekonferenz stattfand. Doch die Verhandlungen in kleinerem Rahmen fanden im Palais Coburg im ersten Bezirk statt. Dort trafen sich die Delegationen zum letztlich erfolgreichen Gespräch. Grund für die Ortswahl war wohl, diskreter reden zu können. Außerdem sollen dem Vernehmen nach einige der Delegationen im Coburg gewohnt haben.
Und nicht zu vergessen: Gleich daneben liegt das Marriott, wo die US-Vertreterin residiert haben soll. Im selben Gebäude befindet sich das US-Konsulat. Und da kann man abhörsicher in den USA rückfragen, Da mussten die Iraner schon in den dritten Bezirk fahren, um in ihrer Botschaft – vielleicht – NSA-sicher telefonieren zu können.
IN KÜRZE
Die Stadt Wien steht immer wieder im Zentrum wichtiger politischer Verhandlungen der Weltpolitik. Derzeit stehen die – bisher positiv verlaufenen – Atomgespräche mit dem Iran im Mittelpunkt. Schon in Zeiten des Kalten Krieges ist Wien ein wichtiger Treffpunkt der Weltpolitik, aber auch der Spionage gewesen. Wien ist seit 1979 auch dritte UNO-Stadt, daher lebt hier eine große internationale Community.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2014)