Bis 2019 läuft Direktor Matthias Hartmanns Vertrag. Wer könnte ihm nachfolgen? Eine Frau?
Anfang März wollen Kulturminister Josef Ostermayer (SP) und Vertreter des Burgtheaters ein weiteres Gespräch über die Krise des Hauses führen. Um diese Zeit soll auch der Endbericht der Wirtschaftsprüfer vorliegen. Ensemblesprecher Roland Koch sagte letzte Woche der APA: „Es geht uns nicht vorrangig um Personalfragen. Es geht ums Burgtheater. Jede Krise hat auch etwas Reinigendes.“ Die Bereinigung dieser Krise dürfte allerdings längere Zeit in Anspruch nehmen. Noch zeichnet sich kein Weg ab, wie die 8,3 Millionen Euro Defizit zuzüglich möglicher fünf Millionen Euro Steuernachzahlung zu finanzieren wären: Sparen beim Personal, bei Produktionen, Schließung von Spielorten (Kasino), Verkauf von Immobilien (wie der Probebühne im Arsenal) – oder Staatshilfe, auf die nicht nur die Burg, sondern alle Bundestheater hoffen. Der Staatsoper drohe im nächsten Jahr ein Minus, wenn die Subvention sich nicht ändere, so Dominique Meyer jüngst im „Kurier“.
Kušej, Khuon, Scholten als Ratgeber. Personelle Konsequenzen der Burg-Krise gab es bisher keine, wiewohl die Grünen „genug Gründe“ für einen Rücktritt von Burg-Chef Matthias Hartmann sehen. Dieser hat einen Vertrag bis 2019. Früher oder später wird man sich allerdings um eine Nachfolge Gedanken machen müssen. Wer käme infrage?
Martin Kušej. Der Österreicher, Jg. 1961, anerkannter Schauspiel- und Opernregisseur, der seit 2011 Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels (Residenztheater) in München ist, hat am Burgtheater Grillparzer („König Ottokars Glück und Ende“ „Weh dem, der lügt“) oder „Glaube und Heimat“ von Karl Schönherr inszeniert und war 2004–2006 Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele. Dort brachte er den „Ottokar“ (mit Tobias Moretti) heraus, eine Koproduktion mit der Burg, ebenso wie Nestroys „Höllenangst“. Vom Residenztheater sind heuer zwei Aufführungen zum Berliner Theatertreffen eingeladen: „Reise ans Ende der Nacht“ von Celine (Regie: Castorf) und Heiner Müllers „Zement“. Kušej, der auch Regieprofessor am Wiener Reinhardt-Seminar ist, war mit Hartmann im Rennen um die Burg, Staatssekretär Morak berief Hartmann. Das nächste Mal dürfte es eine Ausschreibung geben. Das bedeutet mehr Unvorhergesehenes im Nachfolgespiel. Ein Experte, der um Rat gefragt werden könnte, ist der ehemalige SP-Kunstminister, jetzige Kontrollbank-Vorstand und Festwochen-Präsident Rudolf Scholten.
Karin Beier, Barbara Frey. Wer käme noch für das Burgtheater infrage? Ulrich Khuon: Der Stuttgarter, Jg. 1951, war Intendant in Hannover, am Hamburger Thalia-Theater, seit 2009/10 leitet er das Deutsche Theater in Berlin. Wie Nikolaus Bachler, der in München die Bayerische Staatsoper führt und von 1999 bis 2009 Burgchef war, ist Khuon ein nicht inszenierender Intendant. Es könnte aber auch sein, dass erstmals eine Frau das Burgtheater übernimmt. Die Chancen stehen besser denn je.
Genannt werden etwa Karin Beier, geboren 1965 in Köln, die an der Burg Calderóns „Das Leben ein Traum“, Schillers „Jungfrau von Orleans“ und Biljana Srbljanovics Börsenstück „God save America“ inszenierte. Beier war ab 2007 Direktorin des Kölner Schauspielhauses und führt seit 2013 das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg. Barbara Frey, 1963 in Basel geboren, hat mehrfach am Burgtheater inszeniert, zuletzt „Liliom“, und ist seit 2009/10 Direktorin des Zürcher Schauspielhauses.
Keine Intendantenerfahrung hat die Regisseurin Karin Henkel, die freilich mit ihrer originellen Zürcher „Amphitryon“-Inszenierung, jüngst am NÖ-Landestheater in St. Pölten zu Gast, heuer zum Berliner Theatertreffen eingeladen ist. Henkel, 1970 in Köln geboren, hat 1995 am Burgtheater Schillers „Kabale und Liebe“ inszeniert, ferner am Berliner Ensemble, am Thalia und am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Letzte Arbeiten waren z. B. „Macbeth“ an den Münchner Kammerspielen, Dostojewskis „Der Idiot und Hauptmanns „Die Ratten“ in Köln.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2014)