"Wir haben gelernt, auch über strittige Themen intensiv zu sprechen", sagte die deutsche Kanzlerin bei ihrem Besuch in Israel
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Boykott-Aufrufen gegen Israel wegen des Siedlungsbaus in den Palästinensergebieten eine Absage erteilt. "Das ist für Deutschland keine Option", sagte Merkel beim deutsch-israelischen Regierungstreffen am Dienstag in Jerusalem. "Wir glauben, dass Boykotte nicht die Antwort sein können, um den Friedensprozess voranzubringen."
Dies gehe nur auf dem Verhandlungsweg, so Merkel. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu warnte, Boykotte würden die Friedenschancen mindern und auch etwa 30.000 in israelischen Siedlungen beschäftigte Palästinenser treffen.
Gegenseitige Freundschaftsbekundungen
Merkel und Netanyahu demonstrierten öffentlich Harmonie, obwohl sie in zentralen Fragen unterschiedlicher Meinung waren. "Wir haben gelernt, auch über strittige Themen intensiv zu sprechen", sagte die Kanzlerin zum Abschluss der fünften Regierungskonsultationen.
Israels Präsident Shimon Peres ehrte Merkel mit dem höchsten Orden Israels für ihre Verdienste um die israelisch-deutsche Freundschaft. Im Anschluss an die Verleihung sprach sich Peres für einen speziellen Status sowohl für sein Land als auch die Palästinensergebiete bei der EU aus. Die Friedensgespräche mit den Palästinensern seien an einem kritischen Punkt, sagte Peres. Es sei deshalb gut, dass die EU beiden Seiten eine Aufwertung versprochen habe, falls die Zweistaatenlösung gelinge. Er verglich die Wirkung dieses EU-Angebotes mit der Situation auf dem Balkan. Auch dort habe die Anlehnung an die EU geholfen, Brücken zwischen verfeindeten Parteien zu bauen.
Peres sagte zu Merkel bei der Ordensverleihung in seiner Residenz, Israel sei ihr "zutiefst dankbar für ihre wertbetonte Haltung, dafür wie sie der jungen Generation die Vision einer besseren Welt vermitteln, Antisemitismus und der Leugnung des Holocaustes entgegentreten, zur Sicherheit Israels beitragen und sich für einen Nahost-Frieden einsetzen".
Zwei-Staaten-Lösung
Merkel erwiderte, die Auszeichnung sei Verpflichtung und Ansporn, gemeinsam gegen Antisemitismus und für die Menschenrechte zu kämpfen. "Den Orden sehe ich als Siegel des Vertrauens und der tiefen Freundschaft, die sich zwischen unseren beiden Ländern entwickelt hat." Dass sie ihn bekommen habe, sei angesichts des unermesslichen Leids, das Deutsche mit der Shoa über die Juden gebracht hätten, ein Wunder.
Zur Beendigung des Nahost-Konflikts müsse die Zwei-Staaten-Lösung angestrebt werden, sagte Merkel. Gegenseitige Anerkennung eines palästinensischen und des israelischen Staates und Kompromisse beider Seiten seien dafür selbstverständlich eine Voraussetzung. Netanyahu betonte: "Ich bin bereit zu einer historischen Einigung mit den Palästinensern, die den Konflikt ein für alle Mal beendet". Es sei zwar legitim, Israel zu kritisieren, aber nicht, die einzige Demokratie in der Region an den Pranger zu stellen.
Mit Blick auf israelischen Siedlungsbau in den Palästinensergebieten machte die Kanzlerin erneut deutsche Sorgen deutlich. "Ich hoffe, dass man die Probleme überwinden kann und dass dies einem Abkommen nicht im Wege steht." Für eine Zwei-Staaten-Lösung werde natürlich "eine territoriale Integrität der einzelnen Gebilde" gebraucht. Merkel unterstützte Forderungen Israels nach Sicherheit vor Terror.
Netanyahu fordert harten Kurs gegen den Iran
Netanyahu rief zu harten Verhandlungen mit dem Iran über dessen Atomprogramm auf. Teheran habe seine Politik auch unter dem neuen Präsidenten Hassan Rohani nicht geändert, mahnte er. Der Iran rufe weiterhin zur Vernichtung Israels auf und unterstütze das Regime von Bashar al-Assad in Syrien. Es müsse verhindert werden, dass der Iran in den Besitz von Atomwaffen gelange.
Merkel forderte von der iranischen Führung Nachweise für die friedlichen Absichten des Atomprogramms. "Unter der neuen Führung ist der Ton zwar teilweise ein anderer geworden. Taten fehlen aber immer noch", sagte sie. Die Diplomatie habe in jüngster Zeit eine Chance bekommen. Deutschland werde aber genau hinschauen, "dass der Iran seine Verpflichtung, sich nicht atomar zu bewaffnen, genau einhält". Es gehe darum, eine Bedrohung nicht nur Israels, sondern auch Europas zu verhindern.
Zu den fünften deutsch-israelischen Regierungskonsultationen kam Merkel mit fast ihrem gesamten Kabinett nach Jerusalem. Beide Länder wollen die gegenseitige Kontakte vertiefen. Dabei geht es um Projekte in Forschung, Bildung und Entwicklung und etwa eine gegenseitige Anerkennung von Führerscheinen.
Nach einer Vereinbarung wird Deutschland Israel künftig in solchen Ländern vertreten, in denen es nicht selbst präsent ist. Merkel nannte dies einen "wirklichen Vertrauensbeweis". Im nächsten Jahr soll zudem der 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen gefeiert werden.
(APA/dpa/Reuters)