Ärzte wollen mehr Hausapotheken

Die Forderung der Österreichischen Ärztekammer, wonach Medikamente künftig auch in Ordinationen verkauft werden sollen, stößt auf heftigen Widerstand der Apotheker.
Die Forderung der Österreichischen Ärztekammer, wonach Medikamente künftig auch in Ordinationen verkauft werden sollen, stößt auf heftigen Widerstand der Apotheker.(c) Bilderbox
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Die Österreichische Ärztekammer fordert, dass Medikamente künftig in allen Ordinationen verkauft werden können. Für die Apotheker ein "nicht nachvollziehbarer" Vorstoß.

Wien. Sämtliche niedergelassenen Ärzte sollen künftig Medikamente direkt in ihren Ordinationen verkaufen können – und nicht nur in Ausnahmefällen in ländlichen Regionen. Das fordert die Österreichische Ärztekammer, und sie hat auch schon ein (fast) fertiges Konzept parat, das Christoph Reisner, Präsident der Ärztekammer Niederösterreich, während einer Pressereise in Zürich vorstellte. Die Schweiz gilt als Vorbild für das sogenannte Dispensierrecht für Ärzte. In 17 der 19 deutschsprachigen Kantone ist die uneingeschränkte Arzneimittelabgabe in Ordinationen seit Langem üblich.

In Österreich hingegen darf ein Arzt in seiner Ordination nur dann eine Hausapotheke führen, wenn es in derselben Gemeinde und im Umkreis von sechs Kilometern keine öffentliche Apotheke gibt.

Die Forderung der Ärztekammer, die in der vergangenen Bundeskuriensitzung der niedergelassenen Ärzte beschlossen wurde, sieht nun vor, dass jeder niedergelassene Mediziner – ob Kassen- oder Wahlarzt – das Recht bekommen soll, eine begrenzte Anzahl an Medikamenten direkt an seine Patienten verkaufen zu können. Welche Medikamente das sind, müsse erst bestimmt werden. Je nach Fachrichtung könne man eine Liste der gängigsten Arzneimittel erstellen. Es handle sich bei dem Konzept um eine Ergänzung, nicht um eine Konkurrenz zu öffentlichen Apotheken (mehr als 1300 in Österreich) oder zu den ärztlichen Hausapotheken in ländlichen Gebieten (rund 900), meint Reisner.

Honorar für Dienstleistung

Auch die Versorgung der Ärzte mit den Medikamenten müsse erst geklärt werden. „Uns ist egal, woher die Medikamente kommen. Ob sie der Arzt über Apotheken kauft oder direkt von der Sozialversicherung zur Verfügung gestellt bekommt, spielt keine relevante Rolle.“

Das Honorar der auf freiwilliger Basis teilnehmenden Ärzte soll Reisner zufolge nicht auf dem Umsatz beruhen. Der Arzt werde nicht aus der „Spanne“ entlohnt, sondern erhalte „für die Dienstleistung ein Honorar“. Somit müsse auch nicht befürchtet werden, dass Rabattgeschäfte einreißen könnten oder nur die Medikamente verschrieben werden, die besonders viel Gewinn abwerfen. Entlohnt würden Lagerhaltung, Logistik, Beratung und Service. Was die Umsetzungsmöglichkeiten eines allgemeinen Dispensierrechts für Ärzte angeht, zeigt sich Reisner zuversichtlich: „Das erste Konzept dazu habe ich bereits 2006 erstellt. Es handelt sich um eine neue Form der Medikamentenabgabe, die problemlos machbar wäre.“

Man müsse dazu am Apothekengesetz „nur ganz wenig ändern– einen Satz wegstreichen oder hinzufügen, mehr nicht“. Vonseiten der Patienten gebe es viel Zustimmung. Umfragen hätten gezeigt, dass sich selbst in Wien etwa die Hälfte der Bevölkerung für den Verkauf von Medikamenten beim Arzt aussprechen würde.

„Skurrile Situationen“

Mit einem solchen System, betont Max Wudy, stellvertretender Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte, ließen sich auch „skurrile Situationen“ an Wochenenden und bei Nachtdiensten in ländlichen Gegenden vermeiden: Behandle ein Arzt mit Hausapotheke via Hausbesuch einen Patienten, erhalte dieser das Medikament sofort. Habe ein Kollege ohne Hausapotheke Dienst, sei das nicht möglich.

Als Eindringen in ihre Kernkompetenz bezeichnet hingegen die Apothekerkammer den Vorstoß. Ein Systemwechsel würde nichts bringen und zulasten der Patienten gehen. „Die flächendeckende Versorgung mit Apotheken wäre damit in Österreich gefährdet“, sagt Martin Hochstöger, Präsident der Apothekerkammer Tirol. „Wieso Mediziner jetzt die Aufgaben der Apotheker übernehmen und Medikamente in den Ordinationen verkaufen wollen, ist aus gesundheitspolitischer Sicht nicht nachvollziehbar.“

Eine Befürchtung, die wiederum Christoph Reisner nicht nachvollziehen kann. Ein Apothekensterben sei in der Schweiz trotz gestiegener Anzahl an dispensierenden Ärzten nicht zu beobachten. Es sei sogar das Gegenteil eingetreten, neue Apotheken hätten aufgesperrt. „In Zürich kann man jedenfalls sehen, dass Wettbewerb keinesfalls schadet und der Patient durch seine individuelle Wahlmöglichkeit am besten fährt“, betont Reisner. „Er muss sich seinen Best Point of Service nicht von Bürokraten diktieren lassen, sondern sucht ihn sich selbst nach individuellen Bedürfnissen aus. Besser geht es nicht.“

Die Pressereise nach Zürich wurde von der Ärztekammer Niederösterreich bezahlt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2014)

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