Kritik am geplanten Bürogebäude, das Wiens Rechenzentrum ersetzen soll: Der gefährdete Blick auf den Stephansdom müsse bewahrt werden.
Wien. Noch hat die Icomos, der internationale Rat für städtebauliche Denkmalpflege, seinen Bericht nicht an die Unesco übermittelt, aber so viel lässt sich jetzt schon sagen: Der geplante Neubau, der den sogenannten Glaspalast (Rathausstraße 1) ersetzen soll, wird dabei nicht gut aussteigen.
Hintergrund ist, wie berichtet, dass das Büro- und Geschäftsgebäude, das das bisherige Rechenzentrum der Stadt ersetzen soll, um mehrere Meter weiter Richtung Straße rücken würde – zumindest sieht dies das Siegerprojekt vor, das von der Wiener Stadtentwicklung GmbH (WSE) Ende 2013 präsentiert wurde. Damit würde der Neubau die historische Sichtverbindung von der Josefstädter Straße auf den Stephansdom verstellen. Mitglieder des österreichischen Icomos-Nationalkomitees haben sich nun vor Ort ein Bild von der Lage gemacht und kommen zu dem Schluss, „dass der kommende Bau keineswegs über die Kubatur des bestehenden Gebäudes hinausgehen darf“, wie Beirats-Mitglied Wilfried Posch sagt. Es gebe nur noch wenige historische Sichtverbindungen von den Bezirken auf den Stephansdom, diese müsse man bewahren.
„Teil der Wiener Identität“
Als der renommierte Architekt Harry Glück den Zuschlag für den Bau des Rechenzentrums, das 1980 eröffnet wurde, erhalten hat, war eine Vorgabe der Stadt, dass die Sichtachse nicht verstellt werden dürfe. Daher rückte Glück seinerzeit das Rechenzentrum bewusst einige Meter von der Straße weg. Ein Aus für die Sichtverbindung „betrifft nicht nur die Josefstadt“, sagt Posch. „Das betrifft ganz Wien. Wenn man vom Theater in der Josefstadt Richtung Innenstadt blickt, dann sieht man den Dom. Das ist Teil der Wiener Identität und ein ganz wichtiges Kulturgut.“ Und ebendieses, das Kulturgut, gelte es zu schonen, dazu sei man verpflichtet, seit das historische Stadtzentrum zum Unesco-Weltkulturerbe ernannt wurde. Icomos wird der Unesco in der Causa Bericht erstatten.
Mit der Kritik der Denkmalpfleger erhalten die Gegner des Neubaus Rückenwind. Heute, Mittwoch, wird die Bezirksvertretung im achten Bezirk – vermutlich mit Stimmen aller Fraktionen – zwei Anträge beschließen, die die Stadt Wien auffordern, „rechtliche und planerische Voraussetzungen zu schaffen, damit das seit Jahrzehnten bestehende Blickfeld aus der Josefstädter Straße auf das Stadtzentrum (...) nicht durch Baulichkeiten oder Sonstiges verstellt wird“.
Zudem wird die Stadt aufgefordert, die Bürger in die Neugestaltung intensiv einzubinden. Im ersten Bezirk – das Grundstück liegt an der Grenze der beiden Bezirke – wurde ein ähnlicher Antrag gegen das Projekt bereits beschlossen. Die Bauträger werden sich also, hofft die Josefstädter Bezirksvorsteherin, Veronika Mickel (ÖVP), „bewegen müssen“. Zudem laufe die Petition („Rettet den Steffl-Blick“) sehr gut. Bei 500 Unterschriften muss sich der Petitionsausschuss des Gemeinderates der Sache annehmen.
Ein Abriss des Rechenzentrums, das seit dem Auszug der MA14 leer steht, ist fix. Bei der WSE, die das Projekt abwickelt, hieß es zuletzt, dass die Sichtachse „einer der Aspekte“ sei, „die wir jetzt diskutieren werden“.
Sichtachsen
Viel wird derzeit über sie geredet, weil zwei von ihnen durch geplante Neubauten als gefährdet gelten: die historischen Sichtachsen in Wien. Derer hat Wien einige, die meisten dieser Blickachsen führen von historischen Punkten (etwa Gloriette, Riesenrad) auf das Zentrum Wiens, den Stephansdom.
Mehr:Wie Wien den freien Blick schützt
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2014)