Kritik aus dem Ausland macht Viktor Orbán nur stärker

An election poster of Hungarian Prime Minister Orban is seen on a residential building in Budapest
An election poster of Hungarian Prime Minister Orban is seen on a residential building in Budapest(c) REUTERS
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Ungarns Premier lebt von der Polarisierung, der Konfrontation mit Feinden. Eine populistische Machttechnik, die er mit Putin und Erdoğan teilt. Zum machiavellistischen Kalkül gesellt sich die Unfähigkeit seiner Gegner.

Man kann nicht sagen, dass Viktor Orbán in den vergangenen vier Jahren das internationale Ansehen Ungarns vermehrt hätte. Seine eigenwillige Amtsführung stieß vom ersten Tag auf erbitterte Kritik, vor allem im Ausland. Ein EU-Vertragsverletzungsverfahren jagte das andere. In Ungarn selbst hat dem Ministerpräsidenten der Gegenwind eher genützt als geschadet. Der halben Welt habe seine Fidesz-Regierung die Stirn geboten, verkündete Orbán neulich voller Stolz. Die Pose kommt offenbar gut an.

Bei den Parlamentswahlen am Sonntag zeichnet sich ein Triumph der Regierungspartei Fidesz ab; sogar eine neuerliche Zweidrittelmehrheit im Abgeordnetenhaus scheint möglich, auch deshalb, weil die Regierungspartei in einer Wahlreform die Mandatsbezirke auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten hat. Besonders fair war das vielleicht nicht, aber legitim. Wie auch in anderen Bereichen nützte der Premier eiskalt die Machtfülle, die er bei der Wahl 2010 errungen hatte, um seine Position auf Jahre hinweg abzusichern und seinen Gegnern dauerhaft das Wasser abzugraben.

Zum machiavellistischen Kalkül gesellt sich die Unfähigkeit seiner Gegner. Das linksliberale Oppositionsbündnis, das sich gegen den konservativen Ministerpräsidenten formiert hat, ist heillos zerstritten und insgesamt dermaßen schwach, dass es bei den Wahlen sogar von der rechtsradikalen Jobbik überflügelt werden könnte. Die Antisemiten und Roma-Hasser, die im Wahlkampf Kreide gefressen haben, kratzen in Umfragen an der 20-Prozent-Marke. Womit wir bei einem der erstaunlichsten Phänomene Ungarns angelangt wären: dass es in einem zivilisierten Mitgliedsland der EU rechts des Fidesz überhaupt politisches Leben geben kann.

Verwundern mag viele westliche Beobachter auch, wie die Ungarn Orbán wiederwählen können, obwohl er das Land gespalten und immer wieder rechtsstaatliche Grenzen ausgelotet hat. Doch eine solche Betrachtung entspringt einem moralisierenden Wunschdenken, das ganze Dimensionen der Wirklichkeit ausblendet. Der Mehrheit der ungarischen Bevölkerung war schlicht und einfach egal, ob Orbán eine neue Kontrollbehörde einführte, deretwegen sich europäische Journalisten monatelang um die Medienfreiheit in Ungarn sorgten. Es spielte für sie auch keine Rolle, ob die Regierung Notenbanker und Richter nach ihrem Gusto einsetzte. Und es fiel für die meisten Ungarn auch nicht ins Gewicht, ob die neue Verfassung mit nationalistischem Pathos durchtränkt ist, Ungarn darin aber nicht länger als Republik bezeichnet wird. Das alles berührt das Leben der Wähler nicht.

Ein handfestes Argument für Orbán jedoch ist, dass er die Heizkosten gesenkt, die Renten angehoben und die Fremdwährungskredite billiger gemacht hat. Dafür legte sich der Premier mit internationalen Banken und Investoren an. Doch das taugt vielen Bürgern. Orbáns System ist nicht auf Nachhaltigkeit angelegt, sondern auf Wiederwahl. Er will vor allem eines: an der Macht bleiben. Der Verlust der Macht 2002 war sein größtes Trauma; es um keinen Preis noch einmal zu durchleben ist das Ziel seiner Politik. Seine Gegner will er am liebsten für immer aus dem Weg räumen.


Orbán gehört zu einer neuen Kategorie von Politikern, zu der man auch Putin oder Erdoğan zählen kann. So wie Russlands Präsident und der türkische Premier lebt auch Orbán von der Polarisierung, von der Konfrontation mit inneren und äußeren Feinden, die oft auch nur konstruiert sind. So mobilisiert er die Massen. Jede Kritik von außen wirkt wie ein Energieschub. Seine Herrschaft hat autoritäre Züge, ist aber demokratisch und durch permanenten Populismus legitimiert.

Doch Orbán dient damit vor allem sich selbst (und auch Freunden). Ungarn wäre mehr geholfen, würde der Premier nach seiner Wiederwahl den gesellschaftlichen Konsens suchen, seine unorthodoxe Wirtschaftspolitik geraderücken und sein Land zurück in den europäischen Mainstream führen. Doch das ist wahrscheinlich auch nur ein Wunschtraum. Selbst wenn Orbán seine nächste Amtszeit gemütlicher angeht und die versprochene „Konsolidierungsphase“ einläutet: Ein Polarisierer wie er wird nicht mehr zum Brückenbauer.

E-Mails an:christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2014)

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