Migration

Deutschland stoppt Aufnahme von Migranten aus Italien

Migranten aus Nordafrika bei der Ankunft in Lampedusa.
Migranten aus Nordafrika bei der Ankunft in Lampedusa.Imago / Imago Stock&people
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Die Regierung in Berlin zieht Konsequenzen aus der Politik Melonis. Frankreich verschärft die Grenzkontrollen zu Italien.

Deutschland hat die freiwillige Aufnahme von Migranten aus Italien ausgesetzt. Wie „Die Welt“ aus Kreisen der deutschen Innenbehörden erfuhr, wurden die Auswahlprozesse für in Italien ankommende Asylsuchende im Rahmen des „freiwilligen Solidaritätsmechanismus“ eingestellt und dieser Schritt Rom in einem Brief mitgeteilt. Seitens der italienischen Behörden gab es vorerst keine Bestätigung.

Das deutsche Innenministerium erklärte, wegen hohen Migrationsdrucks nach Deutschland sei Italien mitgeteilt worden, die notwendigen Überprüfungen der Migranten würden von deutscher Seite „bis auf weiteres verschoben“. Hintergrund der Aussetzung sei die anhaltende Weigerung Italiens, sogenannte Dublin-Überstellungen aus Deutschland zu ermöglichen. Nach dem geltenden EU-Asylrecht sollen Asylsuchende, die unerlaubt in einen anderen Mitgliedstaat weiterziehen, in der Regel wieder in den Erst-Einreisestaat zurückgebracht werden. Das funktioniert ohnehin selten, seit einem dreiviertel Jahr blockiert Italien aber vollständig. 10.000 Migranten sollten aus den Hauptankunftsstaaten, vor allem aus Italien, in möglichst viele aufnahmewillige Staaten ausgeflogen werden, 3.500 der Menschen nach Deutschland.

Lampedusa im Fokus

Die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa ist seit Dienstag mit einer Rekordzahl von Migrantenankünften konfrontiert. Mehr als 5000 Migranten erreichten an Bord von 110 Booten die Insel und damit so viele wie noch nie an einem einzelnen Tag. Am frühen Mittwoch erreichten weitere 29 Boote mit fast 1.300 Menschen an Bord Lampedusa. Bereits am Montag hatten rund 1900 Migranten auf 51 Booten die Mittelmeer-Insel erreicht. Über 6.000 Menschen befinden sich im Auffanglager der Insel.

Nach einer Periode, in der die Ankünfte von Migranten auf der Insel etwas nachließen, bildete sich vor der Mole des Hafens der Insel zeitweise eine Art Warteschlange von kleinen Metallbooten, die am Hafen anlegen wollten. 800 Migranten wurden vom italienischen Marineschiff „Diciotti“ aufgegriffen. „Rettungseinheiten und die Mitglieder der Küstenwache sind am Ende ihrer Kräfte. Weitere Boote sind in Richtung Lampedusa unterwegs“, meldeten italienische Medien am Mittwoch.

„Für unsere Insel nicht mehr tragbar“

„Ich sage schon seit Wochen, dass es sich um ein epochales Phänomen handelt, mit Zahlen, die für unsere Insel nicht mehr tragbar sind“, sagte der Bürgermeister von Lampedusa, Filippo Mannino. Er rief die Regierung von Premierministerin Giorgia Meloni auf, das Heer einzusetzen, um die Migranten zu stoppen.“ Unsere kleine Insel ist nicht mehr in der Lage, eine solche Migrantenwelle zu bewältigen, deren Ausmaß die Zahl der ansässigen Bevölkerung selbst übersteigt. Vor diesem Hintergrund ist es unmöglich, eine angemessene Hilfe für die Migranten zu gewährleisten, trotz immenser logistischer Anstrengungen“, so der Bürgermeister. Er forderte die Regierung auf, mit Marineschiffen die Migrantenboote aufzufangen und sie direkt nach Sizilien oder aufs italienische Festland zu bringen. Auf der 20 Quadratkilometer großen Insel Lampedusa leben 6.300 Personen. Derzeit halten sich dort auch viele Touristen auf.

Italien fühlt sich angesichts der wachsenden Migrationsströme im Stich gelassen. Der französische Innenminister Gérald Darmanin kündigte am Dienstag eine Verstärkung der Polizei entlang der französisch-italienischen Grenze an, um die illegale Einreisen einzudämmen. „Wir haben einen 100-prozentigen Anstieg der Migrationsströme aus Italien festgestellt“, sagte Darmanin vor Journalisten nach einem Besuch des Grenzpostens in Menton. Der Minister kündigte an, dass die Zahl der mobilen Einheiten von zwei auf vier erhöht werde, sie werden somit aus insgesamt mehr als 200 Personen bestehen.

Frankreich verstärkt Patrouillen

Ebenso wird die Zahl der Soldaten, die im Rahmen der Operation „Sentinel“ für nächtliche Patrouillen in den Bergen eingesetzt werden, von 60 auf 120 erhöht. Auch die Zahl der Zollbeamten solle ebenfalls verdoppelt werden, sagte der Innenminister. Die Ankündigung erfolgte, nachdem die französische Premierministerin Elisabeth Borne im April erklärt hatte, dass 150 zusätzliche Gendarmen und Polizisten an die Grenze entsandt würden, um auf die Verdoppelung der Zahl der an der italienischen Küste ankommenden Migranten und Flüchtlinge im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2022 zu reagieren.

EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola betonte, dass die Lösungen für die Migrationskrise nicht auf nationaler, sondern nur auf europäischer Ebene liegen. „Es gibt keine andere Möglichkeit, als den Migrationspakt abzuschließen, die Bürger aller EU-Länder haben uns gebeten, Lösungen zu finden“, so Metsola bei einem Pressetermin vor Beginn der Rede zur Lage der Union im Plenarsaal am Mittwoch in Straßburg.

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