Südkorea: Premier Chung tritt zurück

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Das Fährunglück wird zum Politikum. 115 Passagiere werden noch vermisst.

Tokio/Seoul. Die südkoreanische Politik zieht Konsequenzen aus dem Fährunglück. Am Sonntag erklärte Premierminister Chung Hong Won seine Bereitschaft zum Amtsverzicht. „Es ist das Richtige für mich“, sagte er, „die Verantwortung zu übernehmen.“ Verantwortung für das miserable Krisenmanagement beim Untergang des Fährschiffes Sewol am 16. April.

Chung entschuldigte sich gleichzeitig bei den Angehörigen der 476 Schiffsinsassen für die vielen Probleme, angefangen bei der möglichen Verhinderung des Unglücks bis zu den ersten Reaktionen darauf. Der Premier zog bei dieser Gelegenheit auch Rückschlüsse auf den generellen Zustand seines Land. „Schon viel zu lange gibt es in Teilen der Gesellschaft Fehlverhalten.“ Präsidentin Park Geun Hye sprach gar von Mord.

Noch immer ist die Unglücksursache nicht einmal annähernd geklärt. Es verdichtet sich lediglich die Annahme, die 3500 Tonnen Ladung – darunter 180 Autos – sei nicht ordnungsgemäß gesichert worden und deshalb bei einem abrupten Wendemanöver verrutscht. Dies habe das Schiff in Schieflage gebracht. Ob es sich dabei um menschliches oder technisches Versagen handelt, ist offen. Die zum Zeitpunkt der Katastrophe kommandierende 3. Offizierin sagte aus, sie habe eine Kursänderung um fünf Grad befohlen, aber das Lenkgetriebe sei zu weit ausgeschlagen. Der Steuermann habe dies nicht mehr korrigieren können.

Defekt der Ruderanlage?

Nach Seouler Medienberichten spricht diese Beschreibung für einen Defekt der Ruderanlage. Das Steuerungssystem soll „kein Strom vorhanden“ gemeldet haben. Die Besatzung habe bereits zwei Wochen vor der Katastrophe bei ihrer Reederei eine Reparatur beantragt, aber der Defekt sei bis zum Schiffsuntergang nicht behoben worden, meldet die staatliche TV-Station Arirang. Warum die Fähre nicht aus dem Verkehr gezogen wurde, ist unklar. Zudem wurde bekannt, dass auch bei einem Schwesterschiff der Sewol Sicherheitsmängel aufgetreten sind. So wurden 40 defekte Rettungsinseln gefunden und die Notrutschen waren funktionsuntüchtig.

Die Ermittlungen richten sich nun gegen den Betreiber des Unglücksschiffes. Ihm und seinen Managern wird zudem Steuerhinterziehung und Untreue vorgeworfen. (a. k.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2014)

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