Fährunglück: Video zeigt Ahnungslosigkeit der Passagiere

Auf dem Schiff befanden sich 325 Schüler aus der Nähe von Seoul, die zur südlichen Urlaubsinsel Cheju unterwegs waren.
Auf dem Schiff befanden sich 325 Schüler aus der Nähe von Seoul, die zur südlichen Urlaubsinsel Cheju unterwegs waren.(c) APA/EPA/YONHAP (YONHAP)
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Bis zuletzt sollen viele Passagiere nicht über den Ernst der Lage Bescheid gewusst haben - dies zeigt das Video eines Teenagers. Auch von der Flucht des Kapitäns ist ein Bild aufgetaucht.

Ein neues Video vom Untergang der südkoreanischen Fähre "Sewol" zeigt, dass viele Passagiere bis zuletzt kaum über ihre verzweifelte Lage Bescheid wussten. "Was macht der Kapitän?", fragt jemand in dem Clip. Über das rund dreiminütige Smartphone-Video berichteten der südkoreanische Sender JTBC und der US-Nachrichtensender CNN am Montag. Demnach nahm ein Teenager das Video vor seinem Tod auf.

Dieses Bild zeigt den Kapitän Lee Joon-seok der Sewol, als er frühzeitig die Fähre verlässt.
Dieses Bild zeigt den Kapitän Lee Joon-seok der Sewol, als er frühzeitig die Fähre verlässt.(c) APA/EPA (South Korea Coast Guard)

Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye hat sich wegen des verheerenden Fährunglücks vor gut zwei Wochen vor der Südwestküste des Landes entschuldigt. Park sagte am Dienstag bei einem Treffen mit Ministern in Seoul, die Regierung habe das Unglück nicht verhindert können und anfangs unzulänglich darauf reagiert. "Ich entschuldige mich bei der Bevölkerung." Sie sei bedrückt, dass so viele Menschen ihr Leben verloren hätten.

Seit dem Unglück vor fast zwei Wochen wurden etwa 190 Tote geborgen. Etwa 110 der ursprünglich 476 Menschen an Bord wurden weiter vermisst. Die Bergungskräfte kamen am Montag nur mühsam voran. Die Tauchgänge am Wrack im Südwesten Südkoreas mussten wegen schlechten Wetters mehrmals unterbrochen werden, wie südkoreanische Sender berichteten. Hohe Wellen und starke Winde erschwerten laut südkoreanischem Fernsehen wie schon am Wochenende die Arbeiten. Mehr als die Hälfte der 64 Kabinen, in denen Eingeschlossene vermutet wurden oder werden, seien bisher durchsucht worden.

"Denkst du, dass ich wirklich sterben muss?"

"Sie sollten uns wissen lassen, was los ist", sagt eine Stimme in dem Video. Im Hintergrund ist die Durchsage der Besatzung zu hören, dass sich alle Passagiere ruhig verhalten und an ihrem Ort bleiben sollten. "Denkst du, dass ich wirklich sterben muss?", fragt jemand. "Es (das Schiff) kippt sehr stark. Wir rutschen auf die Seite ... kann mich nicht bewegen", ist weiter zu hören. Allerdings scheint einigen der Passagiere der Ernst der Lage anfänglich nicht bewusst gewesen zu sein. "Dieser Ausflug hat sich erledigt", witzelt ein Schüler. Auf dem Schiff befanden sich 325 Schüler aus der Nähe von Seoul, die zur südlichen Urlaubsinsel Cheju unterwegs waren.

Das Video sei von dem Vater des Teenagers, der den Clip aufgenommen habe, übergeben worden, berichtete JTBC. Das Smartphone sei zusammen mit der Leiche des Burschen gefunden worden. Die Speicherkarte war demnach noch intakt.

Heftige Kritik der Familien

Parks Entschuldigung macht den zunehmenden Druck auf die Regierung deutlich, das staatliche Krisenmanagement von Grund auf zu erneuern. Vor allem die Familien der Opfer hatten von Anfang nicht nur die Reaktion der Besatzung, sondern auch die Regierung dafür kritisiert, nicht alle verfügbaren Mittel zur Rettung der Passagiere eingesetzt zu haben.

Erst am Sonntag hatte Ministerpräsident Chung Hong Won seinen Rücktritt erklärt. Er soll aber auf Anweisung Parks noch so lange die Amtsgeschäfte führen, bis die Situation unter Kontrolle ist. Park versprach eine komplette Überprüfung des staatlichen Sicherheitssystems. Eine neue Behörde solle geschaffen werden, die künftig für den Umgang mit Katastrophen vom Ausmaß des schweren Havarie verantwortlich sein soll.

Park hatte zuvor einen Traueraltar in der Stadt Ansan nahe Seoul aufgesucht. Aus Ansan stammen 325 Schüler, die mit der Fähre zur südlichen Urlaubsinsel Cheju unterwegs waren. Bei Parks Besuch hätten Angehörige der Opfer ihre Wut und Frustration zum Ausdruck gebracht, wie die nationale Nachrichtenagentur Yonhap berichtete.

Nur 174 Menschen hatten gerettet werden können, darunter der Kapitän und die anderen 14 leitenden Besatzungsmitglieder. Sie sitzen in Untersuchungshaft. Ihnen droht eine Anklage wegen Fahrlässigkeit, Verstoßes gegen die Dienstpflicht und anderer Vorwürfe. Sie werden beschuldigt, das Schiff schon früh im Stich gelassen und keine Versuche zur Rettung der Passagiere unternommen zu haben.

(APA/dpa)

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