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Um den Hamburger Hafen ist ein pikanter Machtpoker entbrannt

Kräne im Hamburger Hafen verladen Container auf Frachtschiffe.
Kräne im Hamburger Hafen verladen Container auf Frachtschiffe.Getty Images
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Die Schweizer und weltweit größte Reederei, MSC, will beim Hafenbetreiber einsteigen – eine „superkalte Dusche“ für die größte deutsche Reederei, Hapag-Lloyd. Die Hafen-Aktie ist jedenfalls schon einmal um fast 50 Prozent hochgesprungen.

Im Hamburger Hafen bahnt sich eine Neuordnung der Machtverhältnisse an: Die Schweizer Großreederei MSC will beim Hafenbetreiber HHLA einsteigen, über den ein Großteil der Container in der Hansestadt umgeschlagen wird. Hamburgs Erster Bürgermeister, Peter Tschentscher (SPD), sprach am Mittwoch von einer strategischen Partnerschaft, die den Hafen im Wettbewerb mit Rotterdam und Antwerpen stärken solle. Deutschlands größte Containerreederei, Hapag-Lloyd, reagierte verärgert. Ihr Großaktionär Klaus-Michael Kühne sprach von einem Affront und erwägt ein Gegenangebot.

„Ich kann Hapag-Lloyd nur dringend raten, selbst und sofort ein Übernahmeangebot für 49,9 Prozent der HHLA-Aktien abzugeben“, sagte der Milliardär der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ). Wenn Hapag-Lloyd dies nicht selbst tun sollte, erwäge er über seine Kühne Holding AG, es „kurzfristig“ selbst zu tun. Es könnte also zu einem Bieterkampf um die HHLA kommen. Kühne ist über seine Holding mit 30 Prozent an Hapag-Lloyd beteiligt, der weltweit fünftgrößten Containerreederei. Die 1847 gegründete Reederei stellt zusammen mit ihren Allianz-Partnern mehr als 50 Prozent des Containerumschlags in Hamburg. In der Konzernzentrale am traditionsreichen Ballindamm reagierte man überrascht auf die Vereinbarung mit MSC. „Das ist eine superkalte Dusche für uns“, sagte ein Insider. Man fühle sich vor den Kopf gestoßen.

Konkurrenz vor der Haustür

Hamburg ist der Heimathafen von Hapag-Lloyd. Die Containerreeder lässt ihre großen Containerschiffe am HHLA-Terminal Burchardkai be- und entladen, dem größten in der Hansestadt. „Da zahlen wir nun die Teminalgebühren an unseren größten Wettbewerber“, sagte der Insider. Das Unternehmen verwies auf die milliardenschweren Dividendenzahlungen, die in den beiden zurückliegenden Rekordjahren an Hamburg geflossen seien. „Es kann gut sein, dass es die Heimatreederei nach Wilhelmshaven treibt“, sagte ein Branchenkenner. Hapag-Lloyd hatte sich im Vorjahr am Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven beteiligt, Deutschlands einzigem Tiefseehafen.

Weltmarktführer MSC bietet den HHLA-Eignern, darunter als größtem Eigner der Stadt Hamburg, 16,75 Euro je börsenotierter A-Aktie. Damit wird das Hafen- und Logistikunternehmen mit 1,2 Milliarden Euro bewertet. Einschließlich Schulden sind es laut einem Bankeninsider 2,6 Mrd. Euro. Die Schweizer haben nach eigenen Angaben mit Hamburg eine verbindliche Vereinbarung getroffen, die die Bedingungen des Übernahmeangebots sowie die gemeinsamen Absichten bei der HHLA regelt. Sie sieht vor, dass Hamburg knapp ein Fünftel seiner Anteile an der Hamburger Hafen und Logistik AG abgibt und seine Beteiligung damit auf 50,1 Prozent verringert. MSC soll mit 49,9 Prozent am Grundkapital der HHLA beteiligt werden.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat vorerst keine Bedenken gegen die Einstiegspläne. Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel betonte, Hamburg wolle die Mehrheit behalten. „Wir müssen die Mitsprache behalten.“ MSC garantiert Hamburg ab 2031 eine Umschlagsmenge von mindestens einer Million Standardcontainern (TEU) im Jahr. Beginnend im Jahr 2025 soll der Containerumschlag bis dahin in mehreren Schritten steigen. MSC werde seine Deutschland-Zentrale in Hamburg errichten. Konzernchef Sören Toft kündigte an, die Zahl der Arbeitsplätze auf über 700 mehr als zu verdoppeln.

Kühne ausgebootet

Die HHLA schlägt an ihren drei Hamburger Terminals im Schnitt fast sieben Millionen Container im Jahr um. Davon entfallen auf den Burchardkai (CTB) und den Terminal Altenwerder (CTA) im Schnitt je drei Millionen TEU. Etwa eine Million sind es am Terminal Tollerort (CTT). Wie viele davon auf Hapag-Lloyd entfallen, sagte eine Unternehmenssprecherin nicht.

Nach Daten von LSEG hält die Hansestadt Hamburg 69,25 Prozent an HHLA. Deren Aktien sprangen gestern um fast 50 Prozent auf 17,24 Euro und notierten damit über der MSC-Offerte, da Anleger offenbar auf eine Gegenofferte spekulieren.

Auch der Logistikunternehmer Kühne hatte zuletzt sein Interesse an der HHLA geäußert. Er wollte den Hamburger Hafenbetreiber gern im Schulterschluss mit Hapag-Lloyd übernehmen, hatte er der „FAZ“ gesagt. Demnach wäre er bereit, rund eine halbe Milliarde Euro für die Aktienmehrheit der HHLA auszugeben und in die Modernisierung der Anlagen zu investieren.

Im Mai hatte die Bundesregierung nach zähem Ringen den Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco in den HHLA-Terminal Tollerot mit einem Anteil von unter 25 Prozent genehmigt. Ursprünglich hatte der chinesische Konzern eine Beteiligung von 35 Prozent angestrebt, was das Kabinett aber bereits im Oktober ablehnte.

Die deutschen Häfen stehen Experten zufolge vor großen Herausforderungen. Die Chefin des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), Angela Titzrath – zugleich HHLA-Vorstandschefin – fordert von der Bundesregierung massive Hilfen, da große Investitionen in die Modernisierung anstünden. (Reuters/red.) 

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