Wien: Häupls roter Retro-Kampf

AUFTAKT DER SPÖ WIEN ZUR EU-WAHL 'FUeR EIN SOZIALES UND DEMOKRATISCHES EUROPA': HAeUPL
AUFTAKT DER SPÖ WIEN ZUR EU-WAHL 'FUeR EIN SOZIALES UND DEMOKRATISCHES EUROPA': HAeUPL(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Der Aufmarsch am 1.Mai ist für die Wiener SP bereits die Vorbereitung für die Wien-Wahl. Die rote Basis soll bis 2015 umschmeichelt – und damit mobilisiert werden.

Wien. Die Sozialdemokratie zelebriert ihr Hochamt. Am Donnerstag mobilisiert die Partei alle Funktionäre und Sympathisanten, die mit roten Fahnen, Trillerpfeifen und der roten Nelke über den Wiener Ring ziehen, um den Spitzenpolitikern der Wiener SP am Rathausplatz zu huldigen – von Bundeskanzler Werner Faymann über Bürgermeister Michael Häupl bis zu ÖGB-Präsident Erich Foglar.

Der Aufmarsch zum 1.Mai, den die Sozialdemokraten seit 1890 feiern, ist mehr als reine Tradition. Zumindest für die Wiener SP. Mit großem Interesse wird dort verfolgt, wie viele Genossen Häupls Aufruf zum Marsch folgen. Immerhin versucht die Partei seit einiger Zeit, den etwas verloren gegangenen Kontakt zur Basis wieder zu intensivieren. Schließlich hat (nicht nur) die Nationalratswahl 2013 gezeigt: Die Mobilisierung eigener Sympathisanten ist für die Partei in der Zwischenzeit ein größeres Problem als die Konkurrenz durch die FPÖ.

Kampf gegen alles Neoliberale

Auf dem Rathausplatz wird Häupl einen ersten Eindruck bekommen, ob seine Gegenmaßnahmen zu greifen beginnen und wie die Mobilisierung im EU-Wahlkampf in Wien läuft. Denn die Partei hat auf Häupls Kritik bereits reagiert: Funktionäre machen bereits flächendeckend Hausbesuche.

In welche Richtung der Wahlkampf laufen wird, ist bereits abzusehen: Häupl segelt – man kennt das bereits vom vergangenen Nationalratswahlkampf – auf rotem Retro-Kurs. Man setzt auf klassische sozialdemokratische Kernthemen: Etwa auf das Thema Wohnen, das von den Wiener Grünen (Stichwort: Mietpreisobergrenze) en passant wieder zurückerobert wurde und das in Wien, dem Bundesland mit der höchsten Mieterquote, besondere Bedeutung hat. Oder auf die Angst vor den globalen „Spekulanten“, vor denen nur die SPÖ schützen kann. Dass die EU sich derzeit mit dem sozialen Wohnbau in Europa beschäftigt (also wer dort einziehen darf), ist für den SPÖ-Kampf gegen „die Neoliberalen und Privatisierer“ eine willkommene Gelegenheit. Und ein strategisch eleganter Weg, EU-Ressentiments in der Bevölkerung zu kanalisieren und nicht nur der FPÖ zu überlassen. Schon bei der vergangenen Volksbefragung hat die Partei auf den Schutz der Daseinsvorsorge gesetzt und vor der angeblichen Privatisierung des Wiener Wassers und der Abschaffung des sozialen Wohnbaus gewarnt. Entsprechend ist Häupls Auftritt am Landesparteitag zu interpretieren, bei dem er eine Koalition mit den Neos nach der Wien-Wahl ausgeschlossen hat. Die Neos passen dem Wiener Bürgermeister strategisch gut ins Konzept – sind sie doch mit ihrer wirtschaftsliberalen Ausrichtung (zum Beispiel Forderung nach Privatisierungen im Gemeindebau) für Häupl eine ideale Gelegenheit, um dem „bösen Neoliberalismus“ auch in Wien ein Gesicht zu geben und gleichzeitig junge Rote abzuhalten, aufgrund der gesellschaftspolitisch ähnlichen Haltung mit den Pinkfarbenen zu liebäugeln.

Wobei Häupls Worte zu relativieren sind. Einerseits werden an Parteitagen bewusst deftigere Worte eingesetzt. Andererseits hat die SPÖ früher fast besser mit dem Liberalen Forum als mit den Grünen gearbeitet, als das LIF noch im Gemeinderat vertreten war. Gesellschaftspolitisch ist die Wiener SP auf einer ähnlichen Linie wie Neos oder Grüne, wirtschaftspolitisch irgendwo zwischen beiden. Tatsächlich hat auch die SPÖ sehr, sehr spät, aber doch begriffen, dass sie sich auch um eine zunehmend pink-, früher grün-affine Gruppe kümmern muss: die Ein-Personen-Unternehmen, die in einer neuen Arbeitswelt nicht der Klassenfeind sind.

Vermögensteuer nur in Wien?

Wobei die Warnungen vor „den Neoliberalen“ nicht nur Taktik sind: Denn die Wiener SP ist von allen SP-Landesparteien jene, die ideologisch am weitesten links steht. Das zeigt nicht nur Häupls Forderung, in Wien Vermögensteuern einzuheben – der Bund müsse das erlauben, fordert er. Wobei: Eine Art „kleine Vermögensteuer“ hat die SPÖ ohnehin bereits eingeführt. Haus- und Grundbesitzer müssen künftig die sogenannte Infrastrukturabgabe pro Quadratmeter Besitz zahlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2014)

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