Arbeitsmarkt: Ein Clip sagt mehr als tausend Worte

Ali Mahlodji
Ali Mahlodji Fabry
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Menschen finden nicht die richtigen Jobs, Konzerne nicht die richtigen Mitarbeiter. „Job-Dating“ im Internet soll helfen, dieses Kommunikationsproblem zu lösen.

Wien. Es gibt nicht zu wenig Jobs, es gibt nur keine passenden Bewerber. Auf diese Idee könnte man kommen, hört man den Firmenchefs des Landes zu. Denn obwohl derzeit so viele Österreicher Arbeit suchen wie noch nie, mangelt es den Unternehmen an richtig ausgebildeten Mitarbeitern. Auf der anderen Seite sieht es nicht besser aus. In den Stellenanzeigen suchen Konzerne meist belastbare, kreative, junge und billige Wunderkinder oder bieten Jobs, von denen noch kein Mensch je gehört hat. Oder wollten Sie schon mit 14 unbedingt „Business Group Lead Information Worker“ werden?

Umgekehrt wählen Lehrlinge und Studenten zielsicher jene Berufsbilder, in denen kaum Jobs ausgeschrieben sind. Aber was soll man schon tun, wenn man sich einfach nicht zum Naturwissenschaftler oder zur Pflegefachkraft geboren fühlt? Und auch wer dem Rat vieler Eltern folgt und „etwas Gescheites“ lernt, hat keine Garantie auf ein erfülltes Berufsleben. Laut einer Studie der Wirtschaftskammer will jeder zweite Berufseinsteiger nach zwei Jahren am liebsten wieder aussteigen.

2500 Videos sind online

Eine Lösung für das „Kommunikationsproblem“ zwischen Firmen und Menschen wollen zwei junge Wiener gefunden haben. Auf ihrer Web-Plattform whatchado können Menschen, die schon ihren Traumjob gefunden haben, den Suchenden von ihrer täglichen Arbeit erzählen. Jeder Interviewte beantwortet dieselben sieben Fragen, egal ob Vorstandsvorsitzender oder Lehrling. Knapp 2500 Videos sind mittlerweile online, erzählt Jubin Honarfar, der das Unternehmen vor gut zwei Jahren mit Ali Mahlodji gegründet hat.

Die beiden wuchsen gemeinsam in Simmering auf und hätten so ein digitales Handbuch der Lebensgeschichten selbst wohl am meisten gebraucht. Mahlodji brach die Schule ab, holte erst spät die Matura nach, studierte dann Informatik, wurde zum Überflieger in der Industrie, bis ihm bei einem Urlaub in Thailand einschoss, dass er sein Leben so nicht leben will.

Jubin Honarfar ging gleich nach der Matura brav studieren. Drei Jahre Medizinstudium warf er „zum Entsetzen der Eltern“ hin. „Dann habe ich das gemacht, was alle machen, die glauben studieren zu müssen und nicht wissen, was sie wollen“, erzählt er. „BWL an der WU“. Als Ali Mahlodji mit der Idee für whatchado bei ihm anklopfte, stand die Tür weit offen.

Mittlerweile ist das Unternehmen gut etabliert. Firmen zahlen bereitwillig dafür, ihre Job-Geschichten auf der Plattform präsentieren zu dürfen. Im Vorjahr machten die beiden Gründer damit eine Mio. Euro Umsatz. Mit Ex-Siemens-Personalchefin Brigitte Ederer, Nationalbank-Präsident Claus Raidl und dem früheren Generaldirektor der Raiffeisen-Landesbank NÖ-Wien Peter Püspök haben die whatchado-Macher auch prominente Geldgeber für die geplante Expansion über den deutschsprachigen Raum hinaus gefunden.

Hier schlägt die Seite auch bei Jobsuchenden bereits voll ein. Über 110.000 Mal im Monat wird die Plattform besucht. Die meisten Nutzer sind zwischen 18 und 30 „und wissen überhaupt nicht, wonach sie suchen sollen“, erzählt Jubin Honarfar. Da bei whatchado aber immer der Mensch mit seiner persönlichen Geschichte im Vordergrund stehe, würden Marken und Berufsbilder greifbar, die man ansonsten in Stellenanzeigen rasch überblättert. Wer hätte schon gewusst, dass man als „Director Collective Action“ bei Siemens etwa für die Korruptionsbekämpfung zuständig ist?

Sieben von zehn Nutzern kommen zum sogenannten „Job-Dating“ auf die Plattform. Jeder, der sich auf whatchado präsentiert, muss auch 14 Fragen beantworten, die nicht im Video zu sehen sind. Dieselben 14 Fragen über den idealen Arbeitstag kann jeder Besucher der Seite online beantworten. Je nach seinen persönlichen Vorlieben bekommt er dann Geschichten von Menschen serviert, die ähnlich ticken wie er.

„Wir verbinden Menschen mit Menschen“, sagt Jubin Honarfar. Statt hundert Stellenanzeigen lesen zu müssen, bekomme man hier zehn Clips von Menschen, die ähnlich denken wie man selbst. Das soll inspirieren und Mut machen, den eigenen Weg zu gehen. Da hilft es auch zu sehen, dass es nicht notwendig ist, in Mindestzeit studiert zu haben, jahrelange Berufserfahrung zu haben, trotzdem aber jung, dynamisch, flexibel, belastbar und siebensprachig zu sein, um einen guten Job zu bekommen.

AUF EINEN BLICK

Whatchado. Auf der Internet-Plattform, die von den beiden Wienern Jubin Honarfar und Ali Mahlodji gegründet wurde, erzählen Menschen mit verschiedensten Jobs von ihrem täglichen Arbeitsalltag. Damit soll das „Kommunikationsproblem“ zwischen Wirtschaft und jungen Menschen gelöst werden. Erstere sucht in vielen Bereichen verzweifelt Mitarbeiter, letztere haben oft die falsche Ausbildung für diese Jobs. Dies soll sich durch Whatchado ändern, so die Hoffnung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2014)

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