Libyen

Warum Hilfe in den Katastrophengebieten nur schleppend ankommt

In der Hafenstadt Darna ist die Zerstörung aufgrund einer Flutwelle so groß.
In der Hafenstadt Darna ist die Zerstörung aufgrund einer Flutwelle so groß. APA/AFP
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Erst 76 Stunden nach den schweren Überflutungen erreichen erste Hilfsgüter die am stärksten getroffenen Städte am Mittelmeer. Mindestens 30.000 Menschen sind obdachlos geworden.

Wien/Tripolis. Nur langsam erreichen Rettungsteams und Hilfstrupps die durch verheerende Unwetter zerstörten Städte im Osten Libyens. In der am schwersten getroffenen Mittelmeerstadt Darna mit rund 100.000 Einwohnern, wo bisher mehr als 6000 Todesopfer geborgen wurden, sind nur vereinzelte Hilfskonvois eingetroffen.

„Es gibt kein Wasser, keinen Strom, kein Benzin“, sagte Mabrooka Elmesmary gegenüber dem TV-Sender al-Jazeera. Die Journalistin konnte Darna am Dienstag verlassen. „Die Menschen versuchen, aus der Stadt zu kommen, aber viele können nicht, weil die Straßen nicht mehr exisitieren oder kaputt sind“, so Elmesmary. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind in Darna mindestens 30.000  Menschen obdachlos geworden.

Während der libysche Rote Halbmond von etwa 10.000 Vermissten ausgeht, hieß es am Mittwoch, es könnten sogar 20.000 Personen vermisst sein. Diese Zahl kam vom Chef eines Spitals in der Stadt al-Baida, Abdul Rahim Maziq. Neben Darna waren auch andere Städte wie al-Baida, al-Mardsch, Susa und Schahat betroffen. Der Bürgermeister in Schahat sprach von rund 20.000 Quadratkilometern überfluteter Gebiete. Die betroffenen Regionen wurden zu Katastrophengebieten erklärt. Sturmtief Daniel hatte Libyen schon am Sonntag mit voller Wucht erreicht, es kam zu extremen Regenfällen im nordafrikanischen Land.

Mit Baggern in Massengräber

76 Stunden nach der Flutwelle, die nach dem Bruch von zwei Dämmen ganze Viertel der Hafenstadt Darna wegspülte, waren die lokalen freiwilligen Hilfstrupps noch immer auf sich allein gestellt. Mehr als 3000 Tote waren bereits in Massengräbern beerdigt, viele von ihnen, ohne identifiziert zu werden. Noch immer spüle das Meer viele Leichen an, so der Luftfahrtsmi­nister der Regierung im Osten, Hichem Abu Chkiouat. Das Krankenhaus der Stadt sei völlig überfordert, auf den Gängen würden Leichen abgelegt, berichtet ein Augenzeuge. Ganze Familien wurden von der Flutwelle ausgelöscht.

Ein Arzt aus Bengasi, der mit Kollegen als freiwilliger Helfer nach Darna fuhr, zeigte sich in einem Gespräch mit der BBC schockiert über die Situation vor Ort. „Überall in den Straßen sind Tote. Es ist eine riesige Katastrophe.“ Viele Leichen würden in den Straßen ausgelegt, damit Angehörige sie identifizieren könnten. Danach würden sie mit Baggern in Massengräbern beerdigt. Die Menschen in Darna seien traumatisiert.

Hilfsangebote erreichten Libyen aus aller Welt, doch die tiefen politischen Brüche in dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land erschweren die Rettungsmaßnahmen. Seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar Gaddafi im Jahr 2011 konnte Libyen noch keine stabile Zentralregierung aufbauen. Die international anerkannte Regierung der Nationalen Einheit (GNU) hat ihren Sitz im westlibyschen Tripolis, während im Osten eine Parallelverwaltung tätig ist, wo auch die schwer getroffene Stadt Darna liegt. Die Regierung in Tripolis will zuerst evaluieren, welche Art der ausländischen Hilfe gebraucht werde. „Wir haben zahlreiche Angebote und werden nur aktzeptieren, was nötig ist“, so Premier Abdul Hamid Dbeibah. Ähnliches hat man zuletzt nach der Erdbebenkatastrophe von der Regierung in Marokko gehört.

EU schickt Hilfsgüter

Am Mittwoch stellten die libyschen Behörden dann doch ein Hilfeersuchen an die EU: Erste Hilfsgüter aus Deutschland, Rumänien und Finnland wurden in die Überschwemmungsgebiete gesandt. Auch Teams aus der Türkei, Ägypten, Katar, Algerien, Tunesien und Palästina waren im Einsatz. Ein Team der UNO war an Ort und Stelle. Man kooperiere mit den Behörden, um Bedarf zu ermitteln und zu koordinieren, hieß es seitens des Büros des UN-Generalsekretärs. Das Österreichische Rote Kreuz hat 150.000 Euro als Soforthilfe freigegeben.

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