Vereinte Nationen

Selenskij fordert in der UNO die Reform des UN-Sicherheitsrats

Die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrats am Hufeisentisch der Mächtigen.
Die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrats am Hufeisentisch der Mächtigen.Reuters / Eduardo Munoz
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Fast alle sind für die Erweiterung des Sicherheitsrats – von Joe Biden bis Schallenberg. Es gibt eine Menge an Reformvorschlägen. Aber eine Vetomacht stellt sich taub: China.

Für Mittwochabend war ein Showdown im Sicherheitsrat der UNO programmiert, und die Rollen waren klar verteilt: Wolodymyr Selenskij als Ankläger gegen Sergej Lawrow als Verteidiger. Doch der russische Chefdiplomat ließ sich vom UN-Botschafter vertreten, der sich mit dem Vorsitzenden des Gremiums ein formalistisches Geplänkel lieferte.

Der ukrainische Präsident hielt sich nicht mit Formalitäten auf, sondern zielte mit seinem Plädoyer für die internationale Ordnung gegen den „Terrorstaat“ Russland. Er plädierte dafür, dem Land das Vetorecht zu entziehen. Und er trat generell für eine Reform des Sicherheitsrats ein, des exklusiven Zirkels der UNO. Selenskij forderte alle UN-Mitglieder dazu auf, seinen Friedensplan zu unterschreiben – und drängte Russland zum Rückzug aus dem ukrainischem Territorium. Er brachte in New York einen internationalen Friedensgipfel auf das Tapet.

Im höchsten UN-Gremium und in einer hochrangigen Besetzung stand wieder einmal die Frage von Krieg und Frieden zur Debatte. Von den fünf Veto-Mächten – USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien – war indes kein Staats- und Regierungschef vertreten. Selbst Joe Biden, der einzige in New York anwesende Präsident eines Veto-Staats, war durch anderweitige Termine verhindert – durch ein Treffen mit Israels Premier Netanjahu. Biden schickte Außenminister Antony Blinken an die diplomatische Front gegen Russland. In seiner Rede forderte Österreichs Chefdiplomat einen Rückzug Russlands aus der Ukraine inklusive der Krim.

„Gerechter und handlungsfähiger“

Für eine überfällige Reform des Sicherheitsrats haben indessen in New York wieder viele plädiert: von UN-Generalsekretär António Guterres bis Biden, von Alexander Van der Bellen bis Olaf Scholz, von Annalena Baerbock bis Alexander Schallenberg. Guterres stellte die 193 Mitgliedstaaten vor die Wahl: „Reform oder Bruch.“ Die Zusammensetzung, die auf die Nachkriegsordnung von 1945 zurückgeht, widerspiegle längst nicht mehr der Realität des 21. Jahrhunderts. „Gerechter, inklusiver, handlungsfähiger“, so lautet die Vorgabe der deutschen Außenministerin. Auch Schallenberg betonte, es sei höchste Zeit für eine Reform und einen Sitz für einen afrikanischen Staat – nur für welchen? Überdies sprach er sich für ein Ende des Vetorechts aus. Er konstatiert eine „gewisse Dynamik“ in der Frage.

Verzicht auf Vetorecht?

Dass der Sicherheitsrat nicht funktioniert und sich durch das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder blockiert, ist eine Litanei, die nun mit größerer Vehemenz ausgebrochen ist. Der exklusive Zirkel besteht neben den fünf permanenten Mitgliedern aus zehn nicht ständigen Mitgliedern, die für ein zweijähriges Mandat gewählt sind. Derzeit sind dies: Albanien, Brasilien, Ecuador, Gabun, Ghana, Japan, Malta, Mozambique, Schweiz und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Vor 20 Jahren hat Kofi Annan, der frühere UN-Generalsekretär aus Ghana, eine Reform angestoßen. Uneinigkeit besteht über die Modalitäten für eine Erweiterung. Deutschland, Japan, Indien und Brasilien lobbyieren seit Längerem gemeinsam für einen permanenten Sitz ihrer Länder. China stellt sich allerdings taub gegenüber den Forderungen aus Tokio und Delhi. Peking genießt die exklusive Rolle.

Mehrere Modelle bringen eine Erweiterung auf bis zu 25 Mitgliedstaaten ins Spiel, etwa mit je zwei zusätzlichen Staaten aus Asien, Afrika und Lateinamerika – einmal mit permanentem Status und Vetorecht, einmal ohne. Eine solche Reform erfordert freilich eine Zweidrittelmehrheit der UN-Mitgliedstaaten sowie aller fünf Vetomächte.

Ein anderer Plan, den Frankreich forciert hat, sieht im Fall eines Genozids, von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen einen Verzicht auf das Vetorecht vor – was sich bis dato jedoch als unrealistisch erwiesen hat. China müsste in einem solchen Fall gegen das Vorgehen des eigenen Regimes gegen die Uiguren stimmen, Russland sich für die Kriegsverbrechen in der Ukraine selbst anprangern.

Damit das Reformvorhaben nicht weiter auf die lange Bank geschoben wird, ist eine Arbeitsgruppe unter dem Co-Vorsitz Alexander Marschiks, des österreichischen UN-Botschafters, damit beauftragt, bis zum UN-Zukunftsgipfel 2024 einen Kompromiss zu unterbreiten.

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