Generalversammlung

Schallenberg-Rede vor UNO: „Ich lehne die Idee ab, ganze Gesellschaften zu canceln“

Außenminister Schallenberg sprach am Donnerstagabend vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen.
Außenminister Schallenberg sprach am Donnerstagabend vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen.Reuters/EDUARDO MUNOZ
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Österreichs Außenminister appelliert in seiner Rede vor der UNO-Generalversammlung in New York vor allem an die EU-Staaten: Sie müssten partnerschaftlicher mit außereuropäischen Ländern umgehen.

New York. Der österreichische Außenminister, Alexander Schallenberg (ÖVP), hat am Donnerstagabend seine Rede vor der diesjährigen Generalversammlung der Vereinten Nationen gehalten. Er kritisierte den aktuellen Zustand der Zusammenarbeit der UN scharf und rief erneut nach einer Reform des Sicherheitsrates, im Speziellen nach der Integration afrikanischer Staaten.

Es brauche einen „vernünftigen und pragmatischen Multilateralismus“, so der Minister. Die auf Regeln basierende internationale Ordnung habe sich in den vergangenen 80 Jahren bezahlt gemacht. „Doch wir müssen uns ehrlich fragen: Ist das multilaterale System noch zweckdienlich? Kann es noch weitere 80 Jahre schaffen? Die Antwort ist einfach und ernüchternd: nein. Wir müssen es reformieren, um es zu erhalten.“ Der Multilateralismus sei nicht „proaktiv und effektiv“ genug.

Internationale Ordnung „nicht inklusiv genug“

Schallenberg hatte in den vergangenen Tagen immer wieder eine partnerschaftliche Form der Zusammenarbeit mit außereuropäischen Ländern gefordert. Er tat dies erneut am Donnerstag. „Was wir sehen, und was ich laut in diesem Saal vernehme, ist, dass die internationale Ordnung nicht inklusiv genug ist.“ Er wiederholte die österreichische Forderung nach einer Reform des Sicherheitsrates, der aktuell fünf ständige Mitglieder hat – die USA, Frankreich, Großbritannien, Russland und China.

Sie können Beschlüsse per Veto blockieren. Der Sicherheitsrat müsse mehr Ländern, die bei seiner Gründung nach dem zweiten Weltkrieg ausgeschlossen wurden, einen Sitz anbieten: „Auch aus Afrika.“ Aktuell werden zehn weitere Mitglieder für je zwei Jahre in das Gremium gewählt; fünf der nichtständigen Mitglieder werden jährlich neu bestimmt.

Kein „Canceln“ von Gesellschaften

Der Außenminister zeichnete das Bild einer Welt, die aktuell „unbestreitbar“ eine der „schwierigsten Zeiten der jüngeren Geschichte“ durchlebe: „Die höchste Zahl gewaltsamer Konflikte seit dem Zweiten Weltkrieg, einschließlich eines umfassenden Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine. Eine sich verschärfende globale Klimakrise. Extreme Wetterereignisse, die überall auf der Welt Verwüstungen anrichten. Zunehmende Armut, soziale Spaltungen und ein Rückschritt bei den Menschenrechten und den in den vergangenen Jahrzehnten hart erarbeiteten Entwicklungserfolgen.“ Man lebe mit einem Gefühl des „permanenten Ausnahmezustands“. Es liege an der Politik, hoffnungsvolle, aber auch realistische Visionen zu präsentieren.

Schallenberg schalt „polarisierende Populisten“ und Desinformationskampagnen – und übte einmal mehr an europäischen Kollegen Kritik. „Ich lehne die Idee von ‚Du bist entweder mit uns oder gegen uns entschieden ab. Die Idee, ganze Gesellschaften oder Kulturen zu canceln, zu Moralismus, Schuldzuweisungen oder Selbstzufriedenheit zurückzukehren. Das ist eine Lektion, die wir Europäer ebenfalls lernen müssen.“

„Die Welt ist nicht schwarz oder weiß“

Für ein Land wie Österreich - „militärisch neutral, exportorientiert und im Herzen des europäischen Kontinents“ - liege die Antwort aber eindeutig in der Zusammenarbeit, hielt Schallenberg fest. Daher müsse auch die UNO „ein Raum für einen echten Dialog“ und keine „Echokammer oder ein Club von Gleichgesinnten“ sein. „Machen wir uns nichts vor: Die Welt ist nicht schwarz oder weiß. Sie ist einfach nicht so einfach“, gab sich Schallenberg realistisch, um dann doch so etwas wie Optimismus zu versprühen: „Wir werden aus dieser Ära der Transformation gestärkt, wohlhabender und widerstandsfähiger hervorgehen.“

Die sogenannte High Level Week der UN-Generalversammlung startete am Montag. Während der Woche kommen Staatschefs und höchstrangige Regierungsmitglieder im UNO-Hauptquartier in New York zusammen. Schallenberg sprach am Donnerstag bei bilateralen Gesprächen mit seinen Amtskollegen Eli Cohen (Israel) und Saleumxay Kommasith (Laos). Für Freitag waren weitere Treffen mit jüdischen Organisationen und bilaterale Termine mit dem Außenminister von Kambodscha, Sok Chenda Sophea, und Sultan Ahmed Al Jaber, dem Minister für Industrie und Technologie sowie Klimabeauftragten der Vereinigten Arabischen Emirate, geplant. Al Jaber ist auch Präsident des für Dezember in Dubai geplanten Weltklimagipfels (COP 28) in Dubai; Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der am Mittwochabend nach Wien zurückgereist war, traf Al Jaber ebenfalls diese Woche.

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