Großbritannien

Ökonom: London brauchte nach Liz Truss „wirtschaftliche Chemotherapie“

Liz Truss bei ihrer Abschiedsrede in der Downing Street.
Liz Truss bei ihrer Abschiedsrede in der Downing Street.(c) Reuters
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Der Ökonom Matthew Agarwala erhebt schwere Vorwürfe gegen die ehemalige britische Kurzzeit-Regierungschefin Liz Truss. Die Anhängerin der konservativen Partei sei für den deutlichen Zinsanstieg verantwortlich.

Die Folgen der Wirtschaftspolitik der damaligen Premierministerin Liz Truss haben selbst ein Jahr nach Bekanntgabe schwerwiegende Folgen für die britische Bevölkerung. Diese Kritik äußert der Ökonom Matthew Agarwala. Er verweist darauf, dass die Reaktion des Marktes auf das „Mini-Budget“ zu einem deutlichen Zinsanstieg geführt hatte. Daraufhin schossen die Kosten für Hypotheken in die Höhe – bis heute.

„Für viele Haushalte ist die ‚Idiotenprämie‘ das größte Überbleibsel von ‚Trussonomics‘“, behauptet der Lektor an der Universität in Cambridge gegenüber der dpa. Zudem hätten andere Faktoren wie der Brexit und die hohe Inflation zum deutlichen Zinsplus beigetragen.

Rücktritt nach Pfund-Einbruch

Truss und ihr Finanzminister Kwasi Kwarteng hatten im vergangenen September unter anderem Steuersenkungen für Verbraucher und Unternehmen angekündigt, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Die Vorhaben im Wert von Dutzenden Milliarden Pfund sollten nur mit neuen Schulden finanziert werden. Das Pfund brach ebenso ein wie die Finanzmärkte, die Zinsen von langlaufenden britischen Staatsanleihen stiegen deutlich. Der Druck wurde schnell zu groß: Truss musste zurücktreten, mit 49 Tagen ist sie die britische Regierungschefin mit der kürzesten Amtszeit der Geschichte. Der neue Finanzminister Jeremy Hunt erhöhte die Steuern und strich Ausgaben zusammen.

„Als Reaktion auf die ‚Trussonomics‘ hat Großbritannien eine Art wirtschaftliche Chemotherapie benötigt, eine Heilung, die fast so schmerzhaft ist wie die Krankheit“, diagnostiziert Agarwala. Dazu gehörten höhere Steuern. An Truss und Kwarteng lässt er kein gutes Haar. Auf die Frage, welche Vorteile das “Mini-Budget„ gehabt habe, sagte der Experte: “Es hat dazu geführt, dass es einen neuen Premierminister und Finanzminister gibt, die der wirtschaftlichen Zukunft Großbritanniens weniger schaden.“

Premier Rishi Sunak und Finanzminister setzen auf Glück

Die Volkswirtin Elizabeth Martins von der Großbank HSBC betonte, Premier Rishi Sunak und Finanzminister Hunt hätten auch Glück gehabt bei ihren Entscheidungen. Die Staatseinnahmen hätten die Entwicklung übertroffen und die Kreditaufnahme sei geringer ausgefallen als erwartet. Zwar seien Inflation und Zinssätze weiter gestiegen. Doch die Märkte seien stabiler, nachdem einige der damaligen Lockerungen wieder rückgängig gemacht wurden. Allerdings sei weiterhin Vorsicht geboten: Die Inflation sei noch immer zu hoch, die Wirtschaft wachse kaum, dabei nehme die Arbeitslosigkeit zu und die Ausgaben für den Schuldendienst würden steigen.

Kurzzeit-Premierministerin Truss arbeitet unterdessen an einem Comeback. Zuletzt verteidigte sie ihre umstrittene Wirtschaftspolitik in einer Rede. Ihre Pläne hätten im Vergleich zu Sunaks Politik rund 35 Milliarden Pfund (40,36 Mrd. Euro) eingespart, behauptete die konservative Politikerin, die nach wie vor im britischen Parlament sitzt. Sie wolle weiterhin für niedrigere Steuern und weniger Staat werben, kündigte sie an. (APA)

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