Immobilien

Projektentwickler mit „Umsatzrückgang von bis zu 70 Prozent“

Der Bedarf an neuem Wohnraum ist hoch. Derzeit geraten aber einige geplante Bauprojekte ins Stocken.
Der Bedarf an neuem Wohnraum ist hoch. Derzeit geraten aber einige geplante Bauprojekte ins Stocken. Getty Images
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Österreichs Immobilienentwickler sehen derzeit viele Hindernisse vor sich. Unter anderem beim Baugenehmigungsprozess würden sie daher an einer Stellschraube drehen.

Verrgangene Woche beschloss die Europäische Zentralbank (EZB) die zehnte Zinserhöhung in Folge („Die Presse“ berichtete). Der Leitzinssatz stieg von 4,25 auf 4,50 Prozent und damit auf das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion im Jahr 1999. Es wird möglicherweise nicht die letzte Anhebung sein, wenn die Inflation in der Eurozone weiterhin auf einem zu hohen Niveau verharrt, ließ EZB-Ratsmitglied und OeNB-Gouverneur Robert Holzmann laut Bloomberg am Rande eines informellen Treffens der EU-Wirtschafts- und Finanzminister in Spanien fallen.

Das sind Aussichten auf die Zinslandschaft, die Österreichs Immobilienbranche weiterhin nicht gerade verzücken werden. Dabei sei nicht unbedingt die aktuelle Höhe des Leitzinses das Problem, sondern vielmehr dessen rapider Anstieg innerhalb kurzen Zeitraums. Gepaart mit der Ungewissheit, ob und in welcher Intensität die EZB in naher Zukunft den Leitzins weiter nach oben schraubt, betonte etwa Stefan Brezovich, Vorstand des Immobilienunternehmens Örag, kürzlich bei einem Branchengespräch.

Schwierige Rahmenbedingungen

Vor allem Projektentwickler müssten sich derzeit ohnehin mit einer Vielzahl anderer Herausforderungen herumschlagen, betont Andreas Köttl, Präsidiumssprecher der Vereinigung österreichischer Projektentwickler (Vöpe). „Unnötig strenge Vergabekriterien für Immobilienkredite, steigende Kosten für Bauleistungen und Löhne und nach wie vor hohe Grundstückspreise“, zählt er einige davon auf. „Zuletzt noch ein Mietpreisdeckel, der Finanzierungs- und Erhaltungskosten für die Entwickler von Altbauobjekten verteuern wird.“

Köttl verweist in diesem Zusammenhang auf eine aktuelle Umfrage der Vöpe unter ihren 50 Mitgliedern. Das Ergebnis: Drei Viertel der befragten Immobilienentwickler bezeichnen die Marktentwicklung für die Jahre 2023 bis 2025 bezogen auf die Umsetzung von Projekten und das Investitionsvolumen als negativ.

Zurückhaltung mit Projekten

Viele Entwickler gehen aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen also eher zurückhaltend in die Zukunft. Aufgrund von „Schwierigkeiten bei der Finanzierung, verschärften Regelungen bei der Kreditvergabe, die Endkunden nicht mehr erfüllen können und teils überzogenen Renditeerwartungen institutioneller Investoren“ muss die Vöpe bereits von einem „Umsatzrückgang bei manchen Mitgliedern von bis zu 70 Prozent“ berichten. Ein Hemmnis sind „weiterhin überbordende bürokratische Hürden bei Widmungs- und Bauverfahren“. Manche Projektentwickler könnten nur die Hälfte ihrer zuvor beantragten Projekte tatsächlich realisieren, da ihnen die Baubewilligung verwehrt werde, beklagt die Vöpe in einer Aussendung.

Auch die Dauer der Bewilligungsverfahren spielt eine Rolle, diese würden sich zunehmend langwieriger gestalten und die Planbarkeit erschweren. Früher konnten Entwickler innerhalb von drei bis fünf Monaten mit einer Bewilligung für ihr Projekt rechnen, heute kann dieser Vorgang teilweise mehr als ein Jahr dauern, lauten die Erfahrungswerte Betroffener. „Das ist ein ‚Killer‘ für die Developer. In der Folge stehen viele Projekte still, obwohl der Bedarf an neuem Wohnraum hoch ist“, erläutert Herbert Petz, Investment-Bereichsleiter bei der Örag.

Vorschlag: Überholspur für Klimabauten

Seitens der Vöpe fordert man daher zum Beispiel mehr Anreize für klimagerechtes Bauen und zur Förderung der Energiewende: Hierbei schlägt man konkret die Einrichtung von „Fast Lanes“ in Genehmigungsprozessen vor. Laut der Projektentwickler-Vereinigung werde der Wohnungsbau hierzulande ansonsten künftig so gut wie stillstehen.

Das sagen die Zahlen: Wurden 2020 noch fast 45.000 Baugenehmigungen für Mehrfamilienhäuser erteilt, so ist diese Zahl laut Wirtschaftskammer im Jahr 2022 bereits auf knapp 30.000 Einheiten gesunken. Für 2023 wird auf Basis bisher vorliegender Zahlen des Baumarktforschungsnetzwerks Euroconstruct ein weiterer Rückgang auf rund 26.000 Genehmigungen für Mehrfamilienhäuser erwartet.

Bei den geförderten Genossenschaftswohnungen werden heuer laut Angaben der Vöpe bis zu 90 Prozent der geplanten Projekte voraussichtlich auf Eis gelegt. Für das kommende Jahr sind laut einer Auswertung von Exploreal derzeit noch knapp 42.000 Wohneinheiten in der Pipeline, für 2025 rund 34.000 – wie viele davon dann tatsächlich umgesetzt werden können, ist unklar.

Immobilienmarkt schrumpfte im ersten Halbjahr

Generell berichten Experten derzeit von einer „massiv gebremsten“ Dynamik auf dem heimischen Immobilienmarkt. Dieser ist im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zur Vorjahresperiode stark geschrumpft. Gut ein Fünftel weniger Objekte wechselten den Besitzer. So wenige Immobilienverkäufe wurden zuletzt 2015 im Grundbuch registriert.

Der Wert der Transaktionen fiel fast um ein Viertel auf 16,6 Milliarden Euro, geht aus dem Remax-Immobilienspiegel hervor. Immobilien mit Preisen zwischen 400.000 und einer Million Euro seien vom Nachfragerückgang massiv betroffen. Doppelhaushälften und Reihenhäuser würden als besonders finanzierungsabhängig gelten und hätten mit einem Rückgang um ein Drittel die höchsten Einbußen verzeichnet.

Stabiler Zinsausblick vonnöten

Was die Lage im Bereich Investment und in weiterer Folge der Projektentwickler betrifft, sagen die Experten der Örag: Sobald die Zinspolitik der EZB einen stabilen Ausblick über die weitere Entwicklung zulässt, erwarten wir einen starken Anstieg der Kauflaune.

Genehmigte Bauprojekte

2020 wurden noch fast 45.000 Baugenehmigungen für Mehrfamilienhäuser erteilt. Im abgelaufenen Jahr 2022 ist diese Zahl auf knapp 30.000 Einheiten gesunken. Für 2023 wird auf Basis der bisher vorliegenden Zahlen ein Rückgang auf rund 26.000 Genehmigungen für Mehrfamilienhäuser erwartet. Für 2024 sind laut einer aktuellen Auswertung derzeit noch knapp 42.000 Wohneinheiten in der Pipeline, für das Jahr 2025 wurden bisher 34.000 Wohngebäude genehmigt – wie viele davon dann tatsächlich umgesetzt werden können, ist unklar.

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